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Bevor Rock'n'Roll die Tanzmusik Amerikas wurde, von Country & Western,
Rhythm'n'Blues und anderen regionalen oder rassischen Vorlieben
einmal abgesehen, war Jazz ein halbes Jahrhundert lang die Unterhaltungs-
und Tanzmusik zwischen New York und Los Angeles. Das war der Grund,
warum nicht nur konservative, sondern auch progressive europäische
Musik- und Kulturkritiker wie etwa Theodor W. Adorno den Jazz in
Grund und Boden verdammten. Tanzen und Denken, das konnte doch nicht
zusammengehen! Doch getanzt und gedacht wurde nicht nur zur Musik
der Swing Orchester, getanzt und gedacht wurde auch, als Dizzy Gillespie,
Charlie Parker oder Max Roach den Bebop entwickelten, die schnelle,
heiße, anfangs rein schwarze Musik aus Minton's Playhouse und der
52nd Street. Kerouac und seine weißen Beatnik-Freunde waren ihrer
Zeit voraus, als sie betrunken und auf einem Fleck sitzend der neuen
Musik zuhörten. Das schwarze Publikum tanzte auch auf dieses irre
Zeug ab. Und erst Rock'n'Roll, endgültig aber der Erfolg der Beatles
beendeten die Zeit der Cole-Porter-Songs in den Hitparaden und der
Frank-Sinatra-Poster an den Wänden der Teenager-Zimmer. Das Pop-Alphabet
stellt heute einen weißen Sänger vor, der seit den frühen fünfziger
Jahren Jazz singt, der dies heute immer noch tut und der eine der
hippsten männlichen Stimmen hat, die es im Jazz gibt: Bob Dorough.
Bob Dorough wird 1923 in Cherry Hill,
Arkansas, geboren. In der Schule fängt er an, Klarinette zu lernen.
Dann zieht seine Familie nach Texas. Bob lernt arrangieren und dirigieren.
Während seiner Zeit als Soldat kommt das Saxophon hinzu, nach dem
Krieg das Klavier und ein intensives Studium in Kompositionslehre.
Etwa 1952 kommt Dorough nach New York, trifft die Beat-Poeten und,
was viel wichtiger ist, jammt mit Charlie Parker. Dorough scheint
sich in diesen Jahren sein Image zu basteln: der perfekte New Yorker
Hipster. Keine Spur mehr Texas oder Arkansas. Gekleidet wie die
schwarzen Musiker, die Sprache beat mit einem seltsamen Akzent,
ein Stück Unverwechselbarkeit. Doch von einem guten Image kann keiner
leben, auch wenn er 1953 eine Platte auf Charlie Mingus' Debut Label
machen darf: Bob Dorough braucht Brotarbeit.
Das Box-Idol Sugar Ray Robinson, role
model auch für Miles Davis, sattelt in den frühen fünfziger Jahren
vom Boxen auf das Singen um, und Bob Dorough wird sein Arrangeur
und Begleiter am Klavier. Zwei Jahre tingelt er mit Robinson durch
die USA, Kanada und Europa, bis er 1954 im Mars Club in Paris hängen
bleibt - als Sänger und musikalischer Unterhalter der Gäste. Ein
halbes Jahr bleibt Dorough im Jazz-Paradies Paris. Heute noch sitzen
dort seine größten Fans und die 89er LP SONGS OF LOVE, aus der gerade
ein Titel zu hören war, ist auf einem französischen Label erschienen.
1955 hat Dorough sein eigenes Trio in New York und er kann eine
LP aufnehmen, angeblich im Januar 55. Ich glaube allerdings, daß
die LP DEVIL MAY CARE erst 1956 entstanden ist, da Dorough einen
Text zu Charlie Parkers Yardbird Suite geschrieben hat, in dem Parkers
Tod bereits vorkommt und Parker starb erst im März '55. Wie auch
immer...
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Bob Dorough
DEVIL MAY CARE
Bob Dorough
I KEEP GOING BACK TO JOE'S
Bob Dorough
YARDBIRD SUITE
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