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Es war einmal ein Land, das hatte sich als erster Staat der Welt
eine kommunistische Regierung gewählt. Die Gegner dieser Regierung
sprachen: "Das kann ja nur um einen Irrtum handeln", und fingen
an, die Arbeit dieser Regierung zu sabotieren, wo immer es ging.
Als alle Tricks nicht so richtig halfen und die Kommunisten immer
noch an der Macht waren, wandten sich die Gegner an die alten Freunde
im Norden. Der Zufall wollte es, daß diese alten Freunde große wirtschaftliche
Interessen in dem nun kommunistisch regierten Land hatten. Da war
man sich schnell einig: Antikommunisten, multinationale Konzerne
und das Militär organisierten einen blutigen Putsch, der dafür sorgte,
daß die Kommunisten erschossen, eingesperrt oder aus dem Land vertrieben
wurden. Die US-Amerikaner, die heute im Namen der UNO kleine Länder
vor großen Diktatoren beschützen, konnten damals nicht eingreifen:
Sie waren nämlich die alten Freunde im Norden, an die sich die Reaktion
in Chile um Hilfe gewendet hatte. Heute im Popalphabet: Victor Jara,
chilenischer Liedermacher und Märtyrer des Militärputsches von 1973...
Victor Jara wird 1938 als Sohn eines
Landarbeiters und einer Wäscherin geboren. In den fünfziger Jahren
erlangt er über den zweiten Bildungsweg die Hochschulreife und studiert
ab 1957 Schauspielkunst. Ein Jahr später schließt sich Victor Jara
der Folklore-Gruppe Cuncumén an, die traditionelle chilenische Volksmusik
pflegt. Mit Cuncumén kommt Jara auch das erste Mal ins Ausland:
1959 tourt die Gruppe durch den Ostblock.
Daß mit traditioneller Volksmusik
politisch umstürzlerische Gesinnung verbunden sein könnte, erscheint
uns seltsam. Aber die chilenische Situation war anders als unsere:
Europäische Hochkultur, das spanische Erbe, amerikanisches Entertainment
gaben den Ton im Chile der fünfziger und sechziger Jahre an. Die
eigene nationale Realität, also das indianische und mestizische,
wurde gering geschätzt. Wer politische Veränderung wollte, konnte
hier den Hebel ansetzen. Tom Lehrer spöttelt etwa zur selben Zeit
auf seinen Platten: "Die Linke hat zwar die schlechteren Waffen,
aber die besseren Songs." Für Chile war diese Ironie Wirklichkeit.
Indem man die Landeskultur betonte, die Musik und Sprache der Indios,
Bauern, Landarbeiter zur Sprache und Musik der Veränderung machte,
sicherte man sich die Zuneigung breiter Bevölkerungsschichten, was
sich schließlich auch in Wählerstimmen niederschlug. Victor Jara,
Schauspieler, Regisseur, Arbeiterkind und singender Agitator wurde
zum Popstar der politischen Veränderung.
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POEMA 15
A COCHAMBA ME VOY
EL ARADO
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