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Bevor wir sie Phranc nennen dürfen, mit PH am Anfang und einem
C am Schluß, nennen wir sie Susie Gottlieb und lassen sie um 1960
in Los Angeles zur Welt kommen. Mit fünf darf sie Klavier, dann
Geige lernen, mit zehn Gitarre. Mitte der siebziger Jahre lassen
wir sie von zu Hause ausziehen, weil "ich mit 17 dort nicht lesbisch
sein durfte" und in die feministischen und lesbischen Zirkel Kaliforniens
eintauchen. Sie klampft in der Frauenszene, das kann so schlecht
nicht gewesen sein, denn ihre Fassung des Dylan-Stücks THE LONESOME
DEATH OF HATTIE CARROLL ist aller Ehren wert.
Die damalige Lesben-Szene scheint
Susie Gottlieb nicht gefallen zu haben; die wenigsten waren so jung
wie sie. Nach der Mitarbeit an mehreren Lesben-Zeitschriften zieht
Susie nach San Francisco und entdeckt Punkrock. "Vorher war ich
total separatistisch, und plötzlich trat ich wieder in die große
Welt ein, mit allen möglichen Leuten, auch Männern. Ich fand das
sehr aufregend, weil ich mich eher mit Leuten in meinem Alter identifizierte,
die wütend und begeistert und politisch und kreativ waren." Zurück
in Los Angeles spielt Susie Gottlieb, die sich inzwischen Phranc
nennt, bei den Hardcore-Gruppen Nervous Gender und Catholic Discipline
Gitarre, was sich 1980 eher unbeholfen angehört hat...
Anfang der achtziger Jahre findet
Phranc wieder zur akustischen Gitarre zurück und schreibt mit TAKE
OFF YOUR SWASTIKAS einen an die Sex Pistols angelehnten Folksong,
der sich bei aller Correctness nicht peinlich anhört. Schließlich
hat sie Recht, wenn sie als "jewish-lesbian folksinger" reimt: "Wenn
Ihr damals in die Öfen gewandert wärt, würdet ihr ein Hakenkreuz
auch nicht cool finden."
Phranc: klein und sehr sportlich,
von 1982 bis 1984 in einem Schwimmteam, danach Schwimmlehrerin.
Flat-Top Frisur, karierte Hemden oder Rollkragenpullover, Röhrenjeans,
Springer- oder Cowboystiefel. Auf dem Cover ihrer ersten Solo-LP
FOLKSINGER von 1985 ähnelt sie einem Andreas Dorau auf Nashville-Urlaub,
1989 einem jungen Freddie Quinn. Ihre sexuelle Präferenz ist Thema,
aber nicht DAS Thema ihrer Songs; ihre musikalischen Vorbilder dürften
mit Bob Dylan, Jonathan Richman und The Knitters ziemlich exakt
getroffen sein; und daß sie das Talent hat, in witzigen Formulierungen
kleine Nägel auf kleine Köpfe zu treffen, entschuldigt das Tracy-Chapman-hafte
Getue bei den "ernsten" Anliegen wie Apartheid.
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THE LONESOME DEATH OF HATTIE CARROLL
Catholic Discipline
UNDERGROUND BABYLON
TAKE OFF YOUR SWASTIKAS
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