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Slade in Ilja Richters ZDF-Sendung
Disco sehen zu können, war immer ein Vergnügen. Alle trugen meterhohe
Plateau-Stiefel, Hüte mit aufgenähten Spiegeln und großkarierten
oder silberglänzenden Science-fiction-Unsinn. Sie waren abgrundtief
häßlich, unerträglich laut, auf jedem Gesang war mehr Echo drauf
als auf allen Phil-Spector-Platten und im Hintergrund klatschten
ganze Fußballstadien den Rhythmus mit. Klarer Fall: Ich habe sie
geliebt. Und als das 1971 mitgeschnittene Live-Album SLADE ALIVE
herauskam, hatte ich sogar Respekt vor ihnen, denn keiner war auch
nur annähernd so grob und gemein. Doch dann kamen Slade in das,
was der NME einmal die "Leo-Sayer-Phase" der Gruppe genannt
hat: Slade begannen, Balladen zu schreiben.
EVERYDAY schafft 1974 noch Platz 3,
das schnulzige FAR FAR AWAY Platz 2, aber dann geht es stetig bergab
mit der Hitparaden-Karriere von Slade. Und im Februar 1976 haben
sie ihre vorläufig letzte Chartsnotierung mit dem bezeichnenden
Titel LET'S CALL IT QUITS. Drummer Don Powell muß um diese Zeit
auch noch einen schweren Autounfall gehabt haben, bei dem er vollständig
das Gedächtnis verloren hat; Freundin Angela Morris starb - tragische
Nebenerscheinung einer ansonsten branchenüblichen Teenie-Pop-Band-Beerdigung
dritter Klasse.
Aber die Starrsinnigkeit einer Band,
die schon mal acht Jahre ohne Platte überstanden hat, sollte nicht
unterschätzt werden. Als Quiet Riot 1983 einen Riesenhit mit ihrem
Cover von CUM ON FEEL THE NOIZE haben, sind auch Slade wieder zur
Stelle und legen nochmals zwei - allerdings bodenlos schlechte -
Single-Eier in die britischen Charts. Außerdem kam ja mit der Weihnachtssingle
und einigen notorisch erfolgreichen GREATEST HITS Platten immer
noch etwas Kleingeld in die Gruppenkasse. Noddy Holder verbringt
die restlichen achtziger Jahre als Radio-DJ bei Privatsendern, Jim
Lea produziert die Platten anderer Leute und Don Powell ist Antiquitätenhändler.
Zum 25jährigen Slade-Jubiläum im vergangenen Jahr schreibt Jim Lea
zwei neue, natürlich schlechte Songs und die treue Briten-Seele
hievt die grausam alt gewordenen Teenie-Stars der frühen siebziger
Jahre aus Pietätsgründen nochmals in Singles- wie auch LP-Charts.
Dieses Auf- und Abspielchen wird wohl noch einige Jahrzehnte so
weiter gehen. Das Popalphabet nimmt den Zug in die Gegenrichtung
und dokumentiert mit einem Live-Bootleg aus dem Jahr 1972, warum
die Vier aus Wolverhampton drei Jahre lang die unbestrittenen Herrscher
der englischen Hitparaden waren...
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Diskographie
Slade |
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WALL OF HITS |
(Polydor 511 612-2) |
SLADE ALIVE |
(Polydor 2383101) |
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EVERYDAY
CUM ON FEEL THE NOIZE
GET DOWN AND GET WITH IT
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