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Doch uns muss das gar nicht mehr
interessieren: Amerika hat uns im Lauf der Jahrzehnte mit seinem
unausgegorenen Drang zum Pop vom elitären Diktat der Hochkultur
und deren Propheten befreit, so dass wir heute trotz gelegentlicher
Dünkel-Attacken und Abendlandszuckungen gelassen miterleben dürfen,
wie die letzten Ritter der sinfonischen Tafelrunde ungefragt konzedieren,
dass U und E gleichwertig sind, jeder an seinem Platze zwar... Vielen
Dank, netter Versuch, aber vielleicht will hier niemand mehr mit
irgend jemandem gleich und gleichwertig sein. Geht spielen und schaut
auf zum Mond.
Nicht daß Pop keine großmäuligen Propheten
hervorbrächte: Seit der sympathische Kodwo Eshun, britischer Trendjournalist,
in seinem Buch "Heller als die Sonne" die knackige Angriffstheorie
verbreitet, Popmusik, speziell afroamerikanisch geprägte Popmusik,
müsse unter einer Gesichtspunkt-Mixtur aus Rhythmik, Psychedelik
und beabsichtiger Irrationalität betrachtet werden, um zu einer
neuen formalen und inhaltlichen Dimension von Pop vordringen zu
können, die unser aller Ohren öffnet für die Schönheit von diesem,
jenem und noch was Drittem, scheint wenigstens der Weg klar zu sein,
wie man aus einer feinen Idee und einer guten Plattensammlung eine
lebenslange Vorlesungs- und Talkshowkarriere gestalten kann. Doch
auch hier hilft Amerika, das seine Theorie gern gut durchgebraten
verzehrt: Während ich mich durch ein Kapitel Eshun mit seinen alten
und neuerfundenen Fremdwörtern schuftete, das mir die Reize eines
peripheren Fusionmusikers schmackhaft machen wollte, schaltete sich
der Radiowecker ein, und Buddy Hollys "Peggy Sue" schepperte aus
dem kleinen Lautsprecher, turbogetriebene Burundi-Beats avant le
lettre, ein aus dem Ruder gelaufener Gefühlshaushalt, eine frivole
Gitarre: Lachend konnte ich das Buch an dieser Stelle schließen.
Das Schöne an Pop, Andreas Neumeister
hat es in dieser Zeitung vor kurzem ausgeführt, ist seine Einsilbigkeit.
Die kommt allerdings aus einer Zeit, als es eben "pop" machte, wenn
man seine Kracherlflasche aufschnalzen ließ. Und was dann drin ist,
müssen wir seither mit jedem neuen Schluck überprüfen. Und genießen.
Und belächeln. Nur in Ehrfurcht brauchen wir nie mehr zu erstarren,
denn an Pop ist nichts aufgebrezeltes Naturerleben, ist nichts heilig
und nichts macht uns schauern. Außer wir wollen es gerade, weil
der Mond so schön scheint.
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