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Kurz nach Erscheinen von CASE HISTORY
geht John Peels Dandelion Label den Bach hinunter und Kevin Coyne,
verheiratet, zwei Kinder, wird von einem geschäftstüchtigen Hippie
namens Branson als zweiter Act für sein frisch gegründetes Label
gezeichnet: Das Label heißt Virgin; Kevins einziger Labelkollege
ist Mike Oldfield, der gerade sein TUBULAR BELLS auf die Welt losgelassen
hat. Kevin Coyne nimmt als Debüt bei Virgin gleich eine Doppel-LP
auf, MARJORY RAZORBLADE, eine Platte, die in keiner Aufstellung
der besten Rock-Alben aller Zeiten fehlen darf. Sensationell schon
die A-Seite, die mit 90 Sekunden Coyne a capella eröffnet wird,
gefolgt von einem lockeren Hit, einer Depressionsstudie und einem
Stones-artigen Boogie namens EASTBOURNE LADIES, der nicht unwesentlich
British Punkrock beeinflussen sollte. Nach diesem fulminanten Einstieg
folgen noch 16 erstklassige Songs, absolut witzig, absolut antiklerikal,
absolut Kevin Coyne. Hier das etwas unbekanntere JACKIE AND EDNA.
Was Kevin Coyne in den folgenden zehn
Jahren auch unternimmt: das Kritikerlob, die Anerkennung bei den
Kollegen finden kein rechtes Echo bei den Käufern von Schallplatten.
Es hilft kein relativ slickes Herangehen, wie es Virgin auch mit
Captain Beefheart probiert hat. Es hilft kein modernistisches Meisterstück
wie MILLIONAIRES AND TEDDYBEARS, das 1978 sicherlich eine der meist-
und bestrezensierten Platten der Rockgeschichte ist. Es hilft nicht
die Zusammenarbeit mit Michael Mantler, Carla Bley, Robert Wyatt
oder Dagmar Krause, und auch nicht die Kooperation mit den Punks
von Ruts DC. Die Welt ist voller Narren, und sie kaufen alle die
falschen Platten...
In den achtziger Jahren geht es abwärts:
die Zusammenarbeit mit Virgin endet, Platten erscheinen auf wechselnden,
immer kleiner werdenden Labels. Die Ehe zerbricht. Kevin Coyne wird
Alkoholiker. 1985 landet Kevin ohne Geld in der Bahnhofsmission
von Nürnberg, der Stadt, in der er seither lebt. Er macht einen
Entzug durch, wird Anonymer Alkoholiker, findet eine neue Lebensgefährtin
und zwei Jahre später junge Musiker, mit denen er einen musikalischen
Neubeginn wagt, zudem ein deutsches Label, auf dem er regelmäßig
veröffentlichen kann. In den neunziger Jahren scheint sich Kevin
Coyne konsolidiert zu haben: er erhält 1992 den Kulturpreis der
Stadt Nürnberg, und 1993 nimmt er seine 28. Platte auf, begleitet
von seinen Söhnen Robert und Eugene. 1994 veröffentlicht Virgin
eine Best-Of-CD, die Kevin Coyne einen angemessenen Platz in der
Labelgeschichte einräumt. Neben der Musik malt Kevin Coyne und stellt
aus, schreibt und veröffentlicht Bücher. Elvis ist tot und Kevin
lebt.
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JACKIE AND EDNA
THE WORLD IS FULL OF FOOLS
ELVIS IS DEAD
Diskographie
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