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Am 17. Juli 1959, vor dreißig Jahren also, starb die Sängerin Billie
Holiday. Im März des selben Jahres war schon ihr musikalischer Lehrmeister
und zeitweiliger Lebensgefährte gestorben: Lester Young, Johannes
der Täufer des Bebop und Cool. New York Juli 1959: Die seit langen
Jahren heroinabhängige Billie Holiday wird mit akuter Gelbsucht
in ein Krankenhaus eingeliefert. Niemand kennt sie; sie ist nur
eine Negerin mit Einstichen an den Armen. Sie bleibt ohne Behandlung
fast zwei Stunden bewußtlos auf dem Gang liegen, bis ein vorbeikommender
Sanka-Fahrer eines anderen Krankenhauses sie erkennt, in seinen
Wagen packt und zu seinem Arbeitsplatz, dem Metropolitan Hospital,
fährt, wo sie sofort unter ein Sauerstoffzelt kommt und nach 12
Tagen auf die Intensivstation verlegt wird. Dort taucht prompt die
New Yorker Polizei auf, um eines ihrer Lieblingsopfer wieder einmal
zu verhaften: Drogenkonsum ist strafbar und diese arrogante Jazztante
hat ihnen schon so oft Schwierigkeiten gemacht. Auf sie mit Gebrüll!
Ihr persönlicher Besitz wird sichergestellt und zwei Polizisten
neben ihrem Bett postiert. Billie Holiday kriegen sie trotzdem nicht:
Sie stirbt in dieser Nacht.
1915 wird Billie Holiday in Baltimore
geboren. Ihre Mutter ist 13, ihr Vater 15. Als Billie drei Jahre
alt ist, geht ihr Vater Clarence als Banjo-Spieler nach New York.
Die Mutter folgt ihm kurzfristig. Billie wird von der verhaßten
Großmutter aufgezogen. Als diese 1921 durch einen Unfall ums Leben
kommt, an dem Billie irgendwie Schuld hat, kehrt die inzwischen
geschiedene Mutter nach Baltimore zurück und arbeitet als Hausmädchen
für 10 Dollar die Woche. 1925 wird Billie von einem Wohnungsnachbarn
vergewaltigt und kommt daraufhin zur "moralischen Wiederherstellung"
in ein Erziehungsheim. Mit 14 reißt sie nach New York aus und arbeitet
in dem ersten Bordell, in dem sie, wie ein Freund später schreibt,
"ein weißes Telefon bekam und auch noch 50% ihrer Einnahmen." Die
Huren-Karriere ist allerdings kurz. Sie weigert sich, gratis mit
freundlich gesinnten Polizisten zu schlafen und wird gefeuert. In
einem der illegalen Speak-Easies bewirbt sie sich als Tänzerin und
wird als Sängerin engagiert. Drei Jahre singt sie dort, bis John
Hammond sie dort hört und sie an Benny Goodman weitervermittelt.
1934 trifft Billie Holiday auf Lester
Young. Sie lernt von ihm, daß es auch noch musikalische Möglichkeiten
jenseits von Louis Armstrong gibt, wie man die Stimme als Instrument
benutzen kann, wie man zu seinem eigenen Stil findet. Und sie lernte
von ihm, wie man sich eine Spritze setzt. Aufnahmen aus dieser Zeit
featuren sie zusammen mit Artie Shaw, Count Basie, Benny Goodman
und Teddy Wilson. Lester Young nennt sie nun "Lady Day". Sie nennt
Lester "Prez" uns steckt sich Gardenienblüten ins Haar, ihr Markenzeichen
der nächsten zwanzig Jahre. 1939 nimmt sie den Song STRANGE FRUIT
auf, eine ungeheure Mutprobe für eine auf das weiße Publikum angewiesene
Nachtclub-Sängerin, sich musikalisch und inhaltlich soweit vorzuwagen,
den Blues von der Lynchjustiz zu singen.
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FINE & MELLOW
AIN'T NOBODY'S BUSINESS
STRANGE FRUIT
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