Musikmeldungen aktuellMusikstromKolumnenSoundcheckPopalphabetGastbeiträgeWeblinksKontaktinfo
Home
Übersicht Manuskripte
National Health Teil 1 : 2 : 3
18.12.91  
 

Hier soll die Geschichte der britischen Gruppe National Health erzählt werden; und das ist nicht ganz einfach, denn die Musik von National Health klingt heute obsolet. Die Anliegen der Musiker haben etwas Antiquiertes, und der Nachwelt ist die Gruppe ebenso gleichgültig wie ihren Zeitgenossen. National Health entwarfen in den Jahren 1975 bis 1982 die perfekte E-Musik für den Rock-Kontext, Musik ohne direkte Bezüge zu Klassik und Romantik, Musik, die keinesfalls Jazzrock war. National Health brachten Emerson, Lake & Palmer, King Crimson und Gong auf den Punkt. Eine rockmusikalische Evolution auf diesem Zweig der Musikgeschichte war nachher nicht mehr nötig. Abgesehen davon, daß zu Hochzeiten von Punk und New Wave sich eh niemand dafür interessierte, daß ein Stück einen 25/8 Takt hatte. Ausgestorbene Dinosaurier, die schon zu Lebzeiten keine Macht besaßen - und heute als interessante Fossilien im CD-Museum herumstehen.
     PARACELSUS aus dem Jahr 1976 ist die einzige Aufnahme, auf der so etwas wie die Originalbesetzung von National Health zu hören ist: Die Gruppengründer Dave Stewart und Alan Gowen an den Keyboards, Bill Bruford am Schlagzeug, Mont Campbell am Baß und die beiden Gitarristen Steve Hillage und Phil Miller. Phil Miller kam von Matching Mole und Hatfield & the North, Steve Hillage von Gong. Bill Bruford hatte gerade bei King Crimson den Krempel hingeschmissen. Und Dave Stewart, nicht zu verwechseln mit dem Eurythmics-Dave-Stewart, und Alan Gowen hatten nach diversen Gruppen wie Hatfield & the North, Gilgamesh, Arzachel, Khan und Egg einen alkoholseeligen Traum, mit virtuosen Musikern komplex auskomponierte Rockmusik einer begeisterten Öffentlichkeit unterzujubeln und damit endlich reich und berühmt zu werden. Hillage und Bruford verließen National Health schon wieder, bevor die Gruppe ein richtiges Repertoire besaß; die beiden hatten eigene Pläne für eigene Bands und waren schließlich bereits erfolgreiche Stars: Da wurde ihnen das avantgardistische Reinheitsgebot schnell zu fad, und das endlos sich drehende Personalkarussel bei National Health kam in Schwung. Phil Lee ersetzte Steve Hillage. Pip Pyle ersetzte Bill Bruford. Mont Campbell fand das Rockstar-Leben plötzlich unerträglich und stieg ganz aus dem Geschäft aus. Phil Lee folgte ihm, weil er ein Angebot hatte, mit Charles Aznavour auf Tour zu gehen. Ein Wunder, daß im Frühjahr 1976 die erste England-Tournee überhaupt zustande kam. Anschließend ging Dave Stewart zu seinen langjährigen Freunden bei Virgin Records, um einen klasse Plattenvertrag abzuzocken. Doch, wie Dave Stewart noch 1990 beleidigt anmerkt, bei Virgin war ein neuer Geist eingekehrt. An Kunst bestünde kein Interesse mehr, und das einzige, was man für Stewart hätte, wäre der Job, die Songs von Reggae- und Punk-Bands für das Verlagsgeschäft aufzunotieren. Stewart schluckte - und akzeptierte. Alan Gowen spielte derweilen Klavier bei einem Sex-Musical im Londoner Westend. Auch die anderen jobbten, den von ganzen 14 Gigs in einem Jahr und keinem Plattenvertrag kann niemand leben. 1977 verließen Sängerin Amanda Parsons und Gruppengründer Alan Gowan das sinkende Schiff, das trotz Europa-Tournee nur noch Platz für vier Gruppenmitgleider bot: Stewart, Pyle, Miller und den neuen Baßisten Neil Murray. Dann doch noch ein Silberstreif am Horizont: Ein alter Freund von Dave Stewart sollte den Sommer über auf das vermietete Mobil-Studio einer nicht näher bezeichneten Supergruppe aufpassen. Wenn es Nacht wurde über London und die eigentlichen Mieter verschwunden waren, spielten National Health die Bänder für die erste LP ein - ein Unternehmen, für das sich auch Alan Gowan und Amanda Parsons gastmäßig verdingten. Und nach einem ziemlich verpatzten Auftritt bei einem der lächerlichen Rock-Meets-Classic-Spektakel in der Queen-Elizabeth-Hall fand sich auch eine Plattenfirma: Charly Records nahm National Health für das Affinity Label unter Vertrag. Früh 1978 erschien das selbstbetitelte Debüt. Zu spät für Neil Murray: Der packte seinen Baß und stieg bei Whitesnake ein, was die anderen Health-Musiker als ziemlich geschmacklos empfanden. Der neue Mann für National Health war der an Erfolglosigkeit gewöhnte John Greaves, der Henry Cow überstanden und mit Peter Blegvad das gelobte, aber erfolglose KEW.RHONE. Projekt in den kommerziellen Sand gesetzt hatte. Auf der zweiten National Health LP OF QUEUES AND CURES, die ebenfalls 1978 erschien, wurde Greaves bereits mit eigenem Stück und Gaststimme von Peter Blegvad gefeatured.

PARACELSUS

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

SQUARER FOR MAUD

Weiter >>

 

Musikmeldungen aktuell | Musikstrom | Kolumnen | Soundcheck | Popalphabet | Gastbeiträge | Weblinks | Kontakt