|
Wer sich lange genug mit Popmusik beschäftigt, wird feststellen,
daß es keine Wurzeln, keinen Urgrund, keinen Boden des Brunnens
gibt. Eines führt immer wieder zum anderen, nächsten. Der augenblickliche
Nummer-1-Hit der Charts taumelt durch die Zeit zurück ins Geschichtslose.
Es gibt keinen Anfang.
Was es gibt, sind Einschnitte - Personen
oder Ereignisse, die Weichen stellen für eine neue Bastardform.
Solche Personen gilt es heute vorzustellen: Sie heißen Mike Seeger,
John Cohen, Tracy Schwartz und Tom Paley, besser bekannt als The
New Lost City Ramblers.
Während der fünfziger Jahre wuchs
an der Ostküste der USA unter der gebildeten weißen Jugend das Interesse
an traditioneller amerikanischer Musik. Mehr gefühlsmäßig als vom
Verstand her gewannen vereinzelte Afficinados von Country Blues,
Bluegrass oder New Orleans Jazz den Eindruck, daß Kino, Radio und
Fernsehen mit wahnwitziger Geschwindigkeit die regionalen Eigenheiten
der Volks- und volkstümlichen Musiken einebnen würden. Schließlich
war die Musik der südlichen Appalachen himmelweit verschieden vom
Genöle der Cajuns in Louisiana, die texanischen Stringbands hatten
wenig gemein mit Bluegrass aus Kentucky etc. Wie die Waldmenschen
in dem Science-fiction FAHRENHEIT 451 begannen einige der interessierten
Studenten sich die Texte und Spielweisen ihrer Lieblingsmusik anzueignen.
Die Quellen dazu waren alte Schellacks, oft und oft kopierte Tapes
von Radiosendungen und die Aufnahmen der Library of Congress von
Vater und Sohn Lomax. Erst später machten sie sich selbst auf den
Weg in ländliche Gegenden, um neue Songs und uralte Musiker ausfindig
zu machen: Das sogenannte Folkrevival geriet in Gang.
Typisch und untypisch zugleich für
dieses akademische Interesse am einfachen Mann und seiner Musik
waren Mike Seeger, John Cohen und Tom Paley, eigentlich hauptberuflich
Mathematikprofessor an einem College. Nach einigen Jahren des für
sich allein Musizierens und Lernens gründeten sie 1958 das Trio
The New Lost City Ramblers, und aus Spaß wurde Ernst: fünf Jahre
später hatten sie es bereits auf ein Dutzend LPs gebracht.
Die Drei waren zur richtigen Zeit
einfach an der richtigen Stelle, um das Richtige zu tun. Seeger,
Cohen und Paley gehörten keiner Schule oder Tradition an. Sie waren
Liebhaber. Sie waren besessene Musiker. Einfach Nachspielen und
Konservieren war ihnen zu fad. Verfälschen aber wollten sie um keinen
Preis. Also nahmen sie die Originale, von denen sie wußten, daß
sie ja keine Originale im herkömmlichen Sinn waren, sondern nur
zeitlich am weitesten zurückliegende Fassungen, und modelten sie
unter genauer Angabe dessen, was sie da taten, um. So à la: "Wir
spielen jetzt eine afroamerikanische Ballade, deren Text aber unbedingt
aus Europa kommen muß, in der Art der Fiddle-Spieler aus Kentucky."
|
COWBOY WALTZ
ON SOME FOGGY MOUNTAIN TOP
THE LITTLE CARPENTER
Weiter
>>
|