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Nach dem 75er Zweitling PLAY DON'T
WORRY sollte es 19 Jahre dauern, bis wieder ein Album unter Mick
Ronsons Namen erscheint. Denn neben der kreativen Blutsbrüderschaft
mit Ian Hunter veränderte eine Telefonanruf Mick Ronsons Karriere
für immer und machte aus ihm eine Legende, einen Mann für besondere
Fälle, die erste Gitarre, aber doch die zweite Geige. Bob Dylan
holte sich im Herbst 1975 Mick Ronson für seine Rolling Thunder
Revue, die bis in den Mai 1976 hinein den Nordosten der USA und
Kanada bereiste, um vierstündige Konzertorgien zu feiern und den
Film RENALDO & CLARA zu drehen.
Der Dramatiker und Gelegenheitsschauspieler
Sam Shepard war der Tagebuchschreiber dieser Dylan-Extravaganza.
Er charakterisiert Mick Ronson: "Englischer Gitarrenheld. Wovor
jede Mutter ihre Töchter warnt. Hauptanstifter des Make-Up-Wahns,
der wie ein Buschfeuer durch Rolling Thunder raste. Da da!" Auf
Seite 212 der deutschen Ausgabe des Rolling Thunder Logbuchs ist
ein Foto zu sehen, das alle Mitwirkenden zeigt. Mick Ronson ist
der einzige, der nicht wie ein verdammter Hippie aussieht. Auf der
Dylan-LP HARD RAIN, die Rolling Thunder akustisch dokumentiert,
war Mick Ronson nur auf der Eröffnungsnummer MAGGIE'S FARM zu hören.
Er machte daraus - trotz der lausigen Aufnahmequalität - einen der
besten Live-Tracks, der je erschienen ist.
Sam Shepard über Mick Ronson: "Gigantische
Sprünge mit gespreizten Beinen in dünne Luft. Dreifache vertikale
Drehungen, das Gitarrenkabel wie eine Boa Constrictor um sich wickelnd,
mit riesigen Aufwärtshaken auf die Gitarre eindreschend. Platinblondes
Haar in sämtliche Richtungen fliegend. Dann steifbeinig auf der
Bühne umherschreitend, Frankenstein im stolzen Machogang, den Hals
der Gitarre mit seiner tückischen Akkordhand schüttelnd, als wolle
er seinen schwächeren Bruder erdrosseln. Dabei die ganze Zeit nie
ein lick verpassend. Durch jede Bewegung hindurch geniale, inspirierte
lead lines spielend, dann wieder mit dem Hintergrund verschmelzend,
um die anderen Musiker zu unterstützen.
Auf der 1994 postum erschienen CD
HEAVEN AND HULL schließt sich der Kreis: Bowie singt Dylan für Ronson.
Außerdem helfen noch Ian Hunter, Chrissie Hynde, John Mellencamp
und Rest-Queen aus, um die Welt auf diese dritte Mick-Ronson-Solounternehmung
aufmerksam zu machen, alles Musiker, denen er nach Rolling Thunder
und bis zu seinem Tod als Gitarrist oder Produzent zur Verfügung
stand. Um die Liste zu vervollständigen: Van Morrison, David Johansen,
Dal Bello, T-Bone Burnette, Ellen Foley, Leather Nun, Roger McGuinn,
Kinky Friedman, Iron City Houserockers, Lou Reed, Slaughter and
the Dogs, Annette Peacock, Perfect Affair, Morrissey, Genya Ravan,
Rich Kids, Bob Sargeant - man sieht, von Jazzrockgedaddel über aufrechte
Legendenpflege bis Punkrock hat Mick Ronson nichts ausgelassen.
Einzige Konstanten der letzten, eher zurückgezogenen Jahre waren
die Formation Hunter/Ronson, die die beiden Freunde immer reaktivierten,
wenn die Portokasse leer war - zuletzt 1989, und das gelegentliche
Einspringen bei David Bowie, zuletzt auf der Bowie-CD BLACK TIE
WHITE NOISE und beim Freddie-Mercury-Spektakel im Wembley Stadion.
Da wußten alle Freunde bereits, daß Mick Ronson Leberkrebs im Endstadium
hatte. Der Mormone Mick Ronson wurde am 7. Mai 1993 in Hull beerdigt.
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Dylan
MAGGIE'S FARM
LIKE A ROLLING STONE
Hunter/Ronson
SLAUGHTER ON TENTH AVENUE (live)
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