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Wir basteln uns eine Generation (Fortsetzung) Teil 1 : 2
 

     Derweilen entwickeln speziell die Musiker dieser Generation W einen seltsamen Hang zum Klassizismus. Marsalis ist nur ein Beispiel. Im Lande Pop gibt es gerade die amerikanische Band Cracker zu bewundern, ein Quartett um den ehemaligen Camper Van Beethoven-Mastermind David Lowery. Der Cracker-Auftritt in München war ein eigentümlicher Höhepunkt des vergangenen Jahres. Lowery exerzierte das perfekte Konzert im perfekten Kontext. Wie er schon mit Camper die vorbildliche Musik der College-Radio-Generation designte, hat sich der gereifte Lowery jetzt der Vollendung der Rockmusik verschrieben. Was getan wird, wird im vollen Bewußtsein des Ganzen und seiner Teile getan. Die gerade von Pop angeregte Zerstreuung und Zersplitterung wird für den Zerstreuer und Zersplitterer rückgängig gemacht, ohne daß dieser Kunstgriff kenntlich gemacht würde. Es wird also Macht ausgeübt. Die einzelnen Songs, der Ablauf des Konzerts, die Kleidung, Haltung, Bewegungen sind auf dem Reißbrett dieses Mannes aufs idealste abgestimmt; nichts ist mehr der Zufälligkeit überlassen. Mit chirurgischer Präzision wird auf der Bühne gearbeitet, aber nicht mehr gespielt. Die Songs, das Konzert erinnern an industrielle Zweckbauten; die metaphysische Komponente ist verschwunden. Der Erfolg ist so programmiert wie die Wirkung einer Droge in den Händen eines Initiierten. Die Bewunderung für diese intellektuelle Leistung, für die Schaffung und Umsetzung des perfekten Bandkonzepts, ist eine kalte Bewunderung - der Bewunderung für die Guillotine oder den Stealth Bomber nicht unähnlich; Ekel mengt sich ein. Die Herzlosigkeit einer Band wie Cracker unterscheidet sich dabei völlig von der Vorausberechenbarkeit und zynischen Industrialität etwa der Rolling Stones, die ihr Sein im Sommer neuerlich vor-spielen werden. Cracker sind im Gegensatz dazu mit sich selbst identisch, sind die archetypische Band dieser nichtexistenten Generation W: geben ihr Bestes, doch ist es irgendwie nicht gut genug.
     Beispiele für diese sterile Perfektion der Mittdreißiger fanden sich im abgelaufenen Jahr genug: das Album von Grant McLennan, das Comeback von R.E.M., Marsalis' Scheitern an der afroamerikanischen religiösen Musik. Punkrocker. Jazztrompeter. Punkrocker. Pop. Die Bombenleger von Gestern wiederholen zwar nicht die Fehler ihrer oft genug verachteten Vorläufer, aber die Summe der eigenen Fehler ist unüberschaubar, unkontrollierbar geworden.
     Nicht Hoffnung, quatsch, aber Erleichterung, Erlösung vielleicht kommt von einer unerwarteten Seite: Seltsamerweise gelingt es einer Reihe von Musikern, die eher dem Klischee der Generation X entsprechen, aus der starren Diktatur der Perfektion, des Neoklassizismus, dem Zeichenterror auszubrechen: Lou Barlow und seine Gruppen Sebadoh, Sentridoh und Folk Implosion. Ween und Palace Brothers. Smog und Tortoise. The Sea and Cake und die Grifters. Gastr Del Sol und Pavement. Man sieht schon an der bloßen Quantität der Namen, da regt sich etwas, nimmt Gestalt an, ist Pop, gerade als er nicht mehr möglich schien. Auf der Schublade mag Lo-Fi draufstehen, aber das reflektiert nur die bewußt billige Produktionsweise der Musik, die man ihr meist auch anhört. Signifikanter ist die Häufung von privaten Photographien auf den Covern, semipeinliche Situationen aus dem Alltäglichen. Diese lungernden, etwas halbstark bedrohlichen Schnappschüsse sind derzeit eine taugliche Hilfe auf der Suche nach neuer, guter, noch unerhörter Musik, aber garantiert wird auch hier nichts. Die Zeichen sind noch nicht mit Sinn überladen, noch nicht zum Bersten mit Bedeutung gefüllt. Das Spiel läuft wieder; es will erneut verloren werden. Das Kaffeewasser kocht.

 

 

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