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Wovon wir Roboter träumen... (Fortsetzung) Teil 1 : 2
 

     Denn nichts auf "Love Comes Shining Over the Mountain" ist einfach, nichts billig, aber ebenso wenig ist irgend etwas schwierig oder hermetisch oder elitär. Alles erklärt sich aus sich selbst heraus. Popstars wie Magne Furuholmen von A-ha oder Helge Sten, vormals bei Motorpsycho, arbeiten wie selbstverständlich neben Jazzern oder einem Veteranen der Ernsten Musik wie Arne Nordheim. Die Computer und Sampler und Speichermedien nehmen ebenso selbstverständlich ihren Platz im Leben des Hörers ein wie vor vierzig, fünfzig Jahren dies die elektrische Gitarre getan haben mag: Elektronische Musik erfüllt den Raum mit einer Gelassenheit, die das Wissen um das Menschsein genauso umfasst wie das Wissen um die Notwendigkeit des Maschinen-Mensch-Seins - an der Schnittstelle zweier Jahrtausende ziemen sich weder Kulturpessimismus noch Nostalgie.
      Und die so gerne zitierte "normative Kraft des Faktischen" nimmt hier vielleicht zum ersten mal Klang-Gestalt an. Waren Techno und House und Drum'n'Bass die nach außen gerichteten, vitalistischen Arbeiter der popmusikalischen Umwälzung der letzten 15 Jahre, so werden es Klänge wie die eines Helge Sten, eines Lasse Margaug oder Dag-Are Haugan sein, die unserem Leben inmitten der Maschinen, die unserem Dasein auf einem von virtuellen Strömen umrasten Planeten den benötigten Halt geben können, besänftigend, fragend, liebkosend, mitfühlend, aber durch und durch digital im William Gibson'schen Sinne.
     Schon jetzt brechen aus der Rune-Grammofon-Welt die wenigen verbliebenen vorwiegend analog erzeugten Musiken aus, die des Elektronik-Pioniers Arne Nordheim etwa - dessen während der 70er Jahre in Polen entstandenen Kompositionen etwas Täppisch-Gewolltes anhaftet, eben das betont Programmatische, dem jedoch das Visionäre fehlt - oder die Improvisationsmusik einer Gruppe namens Veslefrekk. Sowohl Veslefrekk als auch Nordheim haben nun in Person von Helge Sten alias Deathprod einen modernen, Popmusik-versierten Mentor, oder besser: Übersetzer, gefunden, der die lohnenden Enden eines E-Musiker-Daseins, eines Freejazzer-Daseins aufnimmt und sie freundlich, aber bestimmt einer neuen Formsprache, einer neuen Hörerschaft zuführt. Deathprods zusammen mit Geir Jenssen alias Biosphere unternommene Reinterpretation der Nordheim-Kompositionen, erschienen als "Nordheim Transformed", wird dereinst als Meilenstein des Remix-Gedankens gehandelt werden, speziell, wenn man den Umfang der Ausgangsstücke und die Konsequenz der Umsetzung betrachtet. Und als Dokument einer großen Liebe zur Musik.
     Veslefrekk heißen zusammen mit Deathprod Supersilent, der beste Gruppenname, seit es Popmusik gibt; leider hinkt die Qualität der Musik der Güte des Namens etwas hinterher, aber mehr Kritik wäre beckmesserisch angesichts der Fülle, die Rune Grammofon und ECM vor uns ausbreiten. Hier also ist die Musik der Zukunft, der Gegenwart. Wir müssen nur noch die Tür aufmachen, sie einlassen und in ihr leben. Aus Norwegen, ich fasse es nicht.

Verschiedene Interpreten  
LOVE COMES SHINING OVER THE MOUNTAIN (RCD 20012)
   
Supersilent  
SUPERSILENT 4 (RCD 2007)
   
Arne Nordheim  
ELECTRIC (RCD 2002)
   
Biosphere/Deathprod  
NORDHEIM TRANSFORMED (RCD 2005)

 

 

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