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Im Lande Pop ist da mehr los; da
ist das Gerede von der neuen Bewegung fast schon wahr geworden.
Und das Schöne an diesem Wahren ist, dass die Musik, die von den
Neuen gemacht wird, so gut ist. Sind Badly Drawn Boy und Montgolfier
Brothers noch eher die Nachwehen von etwas Altem, ein letztes
Knarzen des Britpop-Plagiarismus, so weisen die viel internationaler
angelegten Songs von Kingsbury Manx aus North Carolina, von
Kings of Convenience aus Norwegen oder eben den englischen
Turin Brakes allesamt nach vorne, weg von Blur und
Verve und Primal Scream, weisen in ein ästhetisches
Paralleluniversum, in dem Paul Simon und Art Garfunkel Götter sind
und Leonard Cohen und Nick Drake zur Rechten und Linken des Herrn
sitzen, der wiederum Tim Buckley sehr ähnlich sieht. Oder dessen
Sohn Jeff, unklare Sache, das mit den Vätergöttern und den Söhnen,
aber, keine Angst, es beißt nicht.
Neben der Begeisterung für das Private
der Gitarre tritt ein solides Wissen um Popmusik - Drum'n'Bass-Elemente,
Postrock-Einflüsse, etwas Dub und viel Easy Listening werden gern
genommen - und ein ebenso rührendes wie erfreuliches Standpunktbeziehen.
Da sind die geldgeilen Eltern -„Die waren nett zu uns in den 80ern,
aber jetzt sehe ich sie nur mehr selten", singen Hooper -
die wieder mit den Zeichensystemen der Fast-Schon-Großeltern von
1968 gereizt werden können - „I will nicht kämpfen, Frieden will
ich", singen Ladytron - jedoch ist diese gewaltfreie Einstellung
nur begrenzt gültig: We Love You nennt sich ein Label, das die neuen
Song-Gruppen bündeln hilft, aber das Cover des tönenden Label-Katalogs
„So love us too" ziert eine Straßenkampfszene, ein Polizist mit
Schlagstock, der erschrocken vor einem Demonstranten zurückweicht
- der ihn mit einem Blumenstrauß bedroht. Also, Hippie-Ding okay,
aber remember Seattle und Nizza, wehrlos war gestern...
Die eigentliche Sensation aber sind
Turin Brakes: In den zwanzig Jahren, die ich das Popgeschehen
mal mit kaltem, mal mit heißem Herzen verfolge, habe ich kein besseres
Debütalbum gehört. Es heißt, wie anders, „The Optimist" und erscheint
Anfang März. Es widerstrebt mir, die außergewöhnliche Leistung dieser
Newcomer durch Vergleiche mit ähnlichen Gruppen aus der Pop-Vergangenheit
zu schmälern; „I am the Future Boy" heißt es an einer Stelle, und
wer wagte zu widersprechen. Die Form ist Rock, die Form ist Folk,
das Handwerk ist Songwriting, aber sie füllen die Form mit einer
neuen, nicht mehr erwarteten Frische, entledigen sich der handwerklichen
Notwendigkeiten mit einer abgebrühten Fertigkeit, die sie vielleicht
nur besitzen können, weil sie durch das elektronische Stahlbad der
Klänge gegangen sind, um einen andersartigen Zugang zum Lied finden
zu können. Sie singen, sie rocken, sie machen glücklich. Turin Brakes.
Die Zukunft scheint mir in guten Händen.
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Turin Brakes |
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THE OPTIMIST |
(Source/Labels) |
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Verschiedene Interpreten |
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WE LOVE YOU... SO
LOVE US TOO |
(We Love You/Labels) |
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Kings of Convenience |
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PLAYING LIVE IN A
ROOM |
(Source/Labels) |
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