|
Geld- und Kapitalanlagen. Versicherungen (Altersversorgung). Leasing.
Immobilien (Haus, Eigentumswohnung). Reisen, Urlaub. Pkw. Bücher.
Essen und Trinken. Kleidung, Mode. Uhren, Schmuck. Spirituosen,
Sekt, Wein. Zigaretten, Tabakwaren. Unterhaltungselektronik. Einrichtungsdesign,
Dekoration. Kücheneinrichtungen. Kameras. Kreditkarten. Kunst- und
Antiquitätenmessen. Parfums, Kosmetik. Bürokommunikation. Heimcomputer
(PC). Seminare, Weiterbildung. Wenn ich hinter jedem dieser Begriffe
mein Kreuzchen mache, mal bei "Sehr großes Interesse", mal bei "Kein
Interesse", und außerdem noch 23 andere Fragen beantworte, schenkt
mir Burkhard Voges von der Verlagsleitung des Spiegels vielleicht
eine Doppel-CD "Reden aus Deutschland". Ich habe nämlich dazu beigetragen,
daß die Spiegel-Marketingabteilung mehr über ihre Leser erfährt
und gezielter bei der werbetreibenden Industrie mit dem Spiegel-Produkt
"Spiegel Spezial" hausieren gehen kann. Das scheint auch bitter
nötig, denn "Spiegel Spezial Nr. 2/1994: Pop & Politik" kommt dem
Ideal einer fast werbefreien Publikation ziemlich nahe, neben vielen
Eigenanzeigen haben es fast nur Hilfsorganisationen und Kleinstlabels
auf mein Geld abgesehen. Sony, Keine Macht den Drogen, Mumm oder
Steigenberger Hotels: Fehlanzeige. Pop & Politik & Spiegel: Was
ist schief gegangen?
Die Idee ist großartig und gewagt.
Die renommiertesten Pop-Schreiber aus den USA, England und der Bundesrepublik
bündeln mit Rückendeckung der meinungsführenden Politpublikation
Deutschlands die zerfaserte Auseinandersetzung um Moral, Politik
und Popkultur - diskursives Lieblingskind der Mittdreißiger und
daher demnächst Talkshow-Thema - erstellen ein Kompendium des modernen
Lebens und Denkens, weisen die sozialen und ästhetischen Interaktionen
von Musik und Gesellschaft nach, übersetzen das Diskurs-Latein der
Sektiererblättchen in eine öffentlichkeitsrelevante Sprache und
schaffen zum guten Schluß eine Plattform, von der aus auch eine
Bundesfamilienministerin Angela Merkel ganz gut überblicken kann,
warum wer wann mit wem und die erste Velvet-Underground-LP direktemang
zum Fall des Eisernen Vorhangs geführt hat.
Exkurs: was gar nicht wünschenswert
wäre, das mit Frau Merkel. Popjournalismus hat immer gut daran getan,
nur halbe Wahrheiten zu sagen und ganze Lügen zu verbreiten. In
einer eigenen Sprache. The Man ist nie dein Freund und Mr. Jones
soll besser nicht wissen, was gleich passiert.
Das größte Mißverständnis im "Spiegel
Spezial: Pop & Politik" zeigt sich bereits auf dem Titelblatt. Es
ist eben weder Pop, noch politisch, wenn Bill Clinton Saxophon bläst.
Politisch wäre es, wenn Hilary Clinton Zensur Zensur Zensur. Dieses
Blasen würde Fragen stellen, statt Antworten zu geben. Aber ich
darf es hier nicht schreiben, weil das Feuilleton nicht Pop ist.
Und der Spiegel darf es nicht collagieren, weil der Spiegel nicht
Pop ist.
So bläst Bill Clinton also Saxophon
und nichts passiert. So sind dann auch die Beiträge. Komplette Themaverfehlungen
wie das schweinchenschlaue Interview mit prähistorischen Figuren
wie Astrid Kirchherr oder der - zugegeben nette - Auszug aus einem
Roman von Christian Kracht. Die Schlauberger aus den USA und Great
Britain haben eigene Artikel vom letzten Jahr sekundärverwertet
(Greil Marcus, Tony Parsons. Merken die blöden Nazi-Enkel eh nicht),
andere werben für ihre demnächst erscheinenden (Ice-T, Hunter S.
Thompson) oder kürzlich erschienenen Bücher (Andrian Kreye, Nik
Cohn: wenn der noch einmal Broadway sagt, krieg' ich einen Anfall!).
|
Weiter
>>
|