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Die mit der Gitarre Teil 1 : 2
Steve Wynn, Franz Dobler, Johnny Cash, Lorette Velvette und andere  
 

Harry Coltellos E-Gitarre wird leiser; der Musiker tritt links von der Bühne ab, überläßt sie seinem Freund, dem Schriftsteller Franz Dobler, der hinter einem Tischchen sitzt und mit den Füßen den Rhythmus stampft zu einem Lied, das nur er hört. Dobler krümmt sich vor den Mikrophonen, grunzt, brummfelt, fängt an zu sprechsingen: "Ich bin nur der mit der Gitarre, aggnnnhhh, der mit der Gitarre", und "Ich kann dir viel erzählen/von diesem Arschloch oder von dem/aber ich erzähl dir nichts/Ich erzähl keinem was." Krümm, stampf, brummfel. So beginnt die Lesung von einem, der seine Sätze, wenn er guter Stimmung ist, gerne mit "Wir Rocknroller..." einleitet, so eine Basis für Verständigung schaffend, als würde es nicht genügen, wie eine jüngere Ausgabe von Karl Obermaier und Willy DeVille auszusehen, um naturgemäß jegliches Falsch aus einem Gespräch zu verbannen. Einer. Ein Rocknroller. Ein Geschichtenerzähler, der keine Geschichten erzählen will. Aber es dann, wie alle Rocknroller, doch tut, wenn er nicht gerade einen Werbeblock verliest, eine Lesungspantomime inszeniert, Quizfragen stellt, einen Gedenkabend für Benno Ohnesorg avisiert. Franz Dobler ist noch ein literarischer Insidertip, auch wenn seine Textsammlung "Bierherz" langsam die verdiente Anerkennung findet. Dabei gehört Dobler in die Charts, die Kinohitparaden - hat er doch mit "Tollwut" 1991 ein Romandebüt vorgelegt, das geradezu nach einer Verfilmung verlangt. Nur hat's wieder keiner gelesen, an der Filmhochschule nicht und nicht bei der Ufa oder der Bavaria. "Tollwut", große Klasse, großes Geld, großer Rock & Roll - Ende des literarischen Werbeblocks, denn eigentlich wollte ich darauf hinaus, daß Rock & Roll sein Erscheinungsbild in den letzten Jahren dramatisch verändert hat, aber dann packt mich immer die kalte Wut und die Enttäuschung, wenn ein Guter wie Franz Dobler nicht bekommt, was er verdient - was ein klassischer Stoff für einen Rock & Roll Song ist, womit ich die Kurve wieder kriege, denn Rock & Roll in den neunziger Jahren lebt, nur lebt er nicht mehr unter dem alten Namen an alter Stelle, sondern Rock & Roll hat eine Metamorphose hinter sich, wie sie der Blues bereits zu Beginn der achtziger Jahre durchgemacht hat (vom Bluesschema zum Nick-Cave'schen Freistil etwa). Dort, wo heute Rock & Roll draufsteht, sind nur mehr bedauernswerte Kopien und lebende Leichen drin. Das Ding an sich hat sich gesundgeschrumpft zu "dem mit der Gitarre". Bob Dylan hat mit seinen letzten beiden Platten den Weg gewiesen: die Neuinszenierung des Rebellen ohne Grund, des Geworfenen, des Außenseiters, des Nichtintegrierbaren, des Gottgleichen als Protorocknroller in einem zwar präelektrischen, wohl aber postmodernen Verantwortungszusammenhang, der fälschlicherweise gerne für Folkmusik gehalten wird. Blue Suede Überbau-Shoes. Wer weiß, wie laut und fies und gemein und wenig integrierbar er sein kann, braucht in Zeiten der falschen Debatten über die falschen Inhalte nur sechs Saiten und sich selbst: Gewalt im Fernsehen ist eine Renate Schmidt mit den Alpinkatzen in der Abendschau. Dagegen ist "Predator" die Kinderstunde.

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