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Die mit der Gitarre (Fortsetzung) Teil 1 : 2
 

     In der Musikwelt hat das codierte Heraushängenlassen des Rocknrollers einen vorläufigen Höhepunkt in der neuen CD von Johnny Cash gefunden. Muß man sich vorstellen: Der Man in Black, der sich damit abgefunden zu haben schien, daß ihn die Welt und seine Plattenfirma als Fossil behandelt, das nur noch sich selbst zu kopieren braucht, um zu überleben, läßt sich von HipHop- und Hardrock-Marketing-Genie Rick Rubin überreden, auf dessen DefAmerican-Label allein zur Gitarre mit steinalter Attitüde das Jetzt zu besingen. Und sich zum Rock & Roll-Wiedergänger zu stilisieren. Denn natürlich ist diesem herzzerreißenden Geniestreich nichts fremder als ein herkömmlicher Authentizitätsbegriff: dieser Rock ohne Roll ist besser als echt. Platte des Jahres - außer Konkurrenz.
     Die alten Socken wie Dylan und Cash weisen den Weg, wie jüngere Generationen den Rocknroller tun können, ohne sich zu korrumpieren. Und im falschen Glanz des Neo-Folks schleichen sich die Agenten der "Peoples Republic of Rock & Roll" (Thomas Pynchon) auch auf die Bühnen unserer Stadt, um den Gospel zu verbreiten. Pat Thomas, Nichtsänger und Labelmacher aus San Francisco, mischte in hektischer Spätknabenhaftigkeit "Leopardskin Pillbox Hat" von Dylan unter seine knarzigen Verlassenheitsangstsongs, die jeden Folk-Puristen zum Weinen, jeden Rocker aber zum Vergießen von Tränen treiben. So einer kann nicht vereinnahmt werden: Er ist ohnehin nur er selbst und ohne Arg.
     Steve Wynn, eine Art Musibox auf zwei Beinen, der ebenfalls im Münchner Substanz zu sehen war, gelang es trotz allen guten Willens nur in wenigen Momenten, mehr als nur nette Singer/Songwriter-Verbindlichkeit zu reproduzieren. Aber mit Band steht er auf der richtigen Seite der Barrikaden, die Gitarre zum Schlag erhoben.
     Rock & Roll auch in der Gegend um Landsberg und Weilheim, wo sich um "den mit der Gitarre", hier mit Namen Wolfgang Petters, einige Bands geschart haben, die in sympathischer Provinzialität nichts als den neuen Rock & Roll tun. Aus der Distanz zu den Metropolen leitet sich die Frische her, mit der Gruppen wie Bath on a Truck oder Village of Savoonga ihre jeweilige Auffassung von Modernität im Münchener Loft zur Aufführung bringen, wesensverwandt jenen neuseeländischen Rockern, die im Lauf der achtziger Jahre untergründliche Berühmtheit erlangten, weil auch sie sich um Trends und Moden nichts scherten: Blue Suede Blume der Abgelegenheit, nachzuhören auf den Veröffentlichungen des "Hausmusik"-Labels.
     Und im Substanz hielt die Königin des neuen Rock & Roll Hof, Lorette Velvette, die mit ihrer Gibson Herzen in die Herzen ihrer Zuhörer schnitzte, bis die Saiten rissen. Aus der Trash-Schule eines Tav Falco hervorgegangen, taumelt Lorette Velvette zwischen Memphis am Mississippi als traditionellem Hort des Rock & Roll und der restlichen Welt als seiner eigentlichen Heimat hin und her, gibt mal die Femme fatale, mal das Trash Girl, mal Memphis Minnies Enkelin und immer die Bastard-Tochter von Robert Johnson - glücklich, wer da ganz vorne an der Bühne stehen durfte, bei dem Mädchen mit der Gitarre.

 

 

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