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Väter, Söhne und das Muttstück Teil 1 : 2
Sean und Julian Lennon verplempern wie Jeff Buckley ihr Erbe  
 

Es muaß a Zufall g'wesn sään, daß just am selben Tag zwei CDs in die Drogeriemärkte und Tonträger-Boutiquen gekarrt werden, die stolz den Namen Lennon tragen. Julian Lennon. Sean Lennon. Zwei Mütter, Cynthia Lennon und Yoko Ono, ein Vater: John. Von diesem Vater haben beide geerbt: die schlechten Augen, das etwas spitz wirkende Gesicht, die Neigung, das Kinn nach vorne und gleichzeitig nach oben zu recken und dabei zu grinsen, eine Trilliarde Dollar, eine markante Kopfstimme und ein rudimentäres Talent, Popsongs zu schreiben.
     Julian hat mit diesen Zutaten bereits eine Reihe im Mainstream-Segment teils sehr erfolgreicher LPs abgeliefert und ist der Meinung, nach einer siebenjährigen Pause mit "Photograph Smile" endlich und wirklich und bombensicher "eine neue Stufe des Songwritings" erreicht zu haben.
     Halbbruder Sean debütiert mit "Into the Sun". Bisher begleitete er lediglich Mutter Yoko auf Tournee und gastierte bei Money Mark und Cibo Matto, zwei angesagten Acts auf dem Beastie-Boys-Label Grand Royal, das nun auch seine CD veröffentlicht hat - in Deutschland kümmert sich allerdings das muskelbepacktere Virgin-Label um die korrekte Vermarktung, während sich - verkehrte Welt - der eher erfolgsverwöhnte Julian hierzulande in die Hände des ehemaligen Independent-Aushängeschilds Rough Trade begeben hat.
     Dies also ist die Ausgangsposition: Doch was ist mit der Musik? Hier betreten wir - Journalisten, Käufer, Fans, Leser - unsicheres Terrain. Denn das Maß aller Dinge, der Vater, wirft auf jedes Produkt seiner Söhne einen langen Schatten. Und dieser Schatten trübt den Blick. Ich stelle also einen Scheinwerfer auf und die beiden Sohnemänner ins Gegenlicht: Nennen wir Sean und Julian Lennon für ein paar Zeilen vielleicht Sean und Julian Rumpelhuber. Der ältere Rumpelhuber-Bruder Julian hat sich Musiker so berüchtigter Schlock-Combos wie Tears for Fears ins Studio geholt und einen Produzenten, der bereits Platten von Gene Loves Jezebel auf dem Gewissen hat. Falls jemandem die Namen nichts mehr sagen sollten: So heißen und klingen Bands, die nach dem Entweichen der heißen Luft sofort auf den Friedhof jener Dreifach-CDs verfrachtet werden, die nachts in wenig erfolgreichen Privatsendern für 98 Mark plus Porto feilgeboten werden.
     Und tatsächlich klingt "Photograph Smile" ungefähr so, als hätten Tears for Fears mit einem Lennon-Imitator namens Rumpelhuber eine stark von der McCartney-Seite der Beatles beeinflußte CD für den Dauereinsatz auf jenen Radiosendern eingespielt, die Pop-Programme für jene Hörerschaft machen, die eigentlich keine Popmusik mögen.
     Natürlich ist "Photograph Smile" wahnsinnig tief und aufwühlend und integer und ambitioniert und ehrlich, und die CD wird sich schon verkaufen, keine Bange, aber eben nur weil Lennon drauf steht und nicht Rumpelhuber. Da helfen keine von Julian kokett geäußerten Sätzchen wie "Mir ist klar, daß die Vergleiche nie verschwinden werden", blabla, da hilft nur: andere Musik. Da hilft nur: sich beim Vater ein Beispiel nehmen. Der hatte feinen, fiesen Witz. Der hatte keine Angst vor Risiken, weil er auch keine Angst hatte, sich lächerlich zu machen. Und nur wer bereit ist, sich lächerlich zu machen, kann Pop schaffen, der den Menschen länger in Erinnerung bleibt als der Inhalt einer McDonalds-Junior-Tüte.

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