|
"Das dunkle Königreich wird nicht
mehr aufzuhalten sein", singen Tocotronic auf ihrer neuen CD, dann
Helikopterlärm, billige Fanfaren und "Let There be Rock" bricht
los, die Single, die Hymne des Jahres: "Das haben sich die Jugendlichen
selbst aufgebaut." Greil Marcus hat vor zehn Jahren über den ebenso
unerwarteten wie totalen Erfolg Nirvanas sinngemäß geschrieben,
daß eine ganze Nation wie gelähmt auf genau den Sound dieser Gruppe
gewartet hätte und ihn annahm wie eine Erlösung: Dies könnte in
einem besseren Deutschland auch für "K.O.O.K." gelten, Tocotronics
fünfte CD.
Tocotronic haben fertig. Rückschläge,
Tiefschläge, K.O.-Schläge werden nicht mehr akzeptiert, werden jetzt
ignoriert. K.O. sei okay, verkündet schließlich bereits der Titel.
Ein K.O.-Schlag ist für Tocotronic nur wie ein retardierendes Moment
in einem Hollywoodfilm: Notwendig für einen guten Schluß. Und dieser
Schluß steht jetzt an: In einer letzten Kraftanstrengung wird ein
überlebensgroßer Gitarrensound aufgebaut, der Aufräumen soll mit
Mittelmaß, mit der eigenen Epigonalität von gestern, mit der erbärmlichen
Sprache, in der heute in Deutschland gern gerappt und gesungen wird.
Daß dieser Rock-Superheros sich anhört wie bombastischer Schweinerock
ist nur in Ordnung: Wenn sich 20jährige angesichts der derzeitgen
Musikszene wieder so fühlen wie ich mich fühlte, als Peter Framptons
Live-Platte alle Verkaufsrekorde brach, dann, ja, muß die Losung
heißen "Verdammt nochmal, let there be rock!", und alles gegen jede
Vernunft dem Erdboden gleichgemacht werden - wobei Frampton heute
sich vielleicht Naidoo buchstabiert oder Mundstuhl, und eben genau
mit jenen Stilmitteln attackiert werden will, die er dereinst selbst
anwendete, Vocoder, Gitarrensolo, Rock, Rock, Rock: Schließlich
tragen, nicht umsonst, gleich zwei unterschiedliche Tocotronic-Songs
auf "K.O.O.K." den Titel "Die Grenzen des guten Geschmacks". Nur
um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Eine bessere CD mit
Gitarren drauf wird heuer nicht mehr gemacht.
Die Merricks schreiben in ihrem Presseinfo
von der "neuen Seltsamkeit"; Tocotronic haben so ein Stück benannt:
Den Besten ist es nicht mehr wohl in dieser formatierten, teutonisch-schlechtgelaunten
Teenager-Rap-VIVA-Welt. Dann ist noch Hoffnung. Let there be rock.
|
|