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Am 1. Juli verschwindet der Name "Rough Trade" endgültig aus dem Popgeschehen (Fortsetzung) Teil 1 : 2
 

     1982 gründete Rough Trade in Zusammenarbeit mit einem deutschen Importeur Rough Trade Deutschland, gerade rechtzeitig, um den ersten kommerziellen Erfolg der Label-Geschichte miterleben zu können: "Blue Monday" von New Order wurde ein Riesenhit; die Probleme einer idealistischen Kleinstfirma im Handling großer Umsätze und Stückzahlen deuteten sich damit erstmals an.
     Rough Trade expandierte, wollte sich vor allem auf dem amerikanischen Markt etablieren - ein Faß ohne Boden, wie sich herausstellen sollte. In Europa dagegen florierte das inzwischen gänzlich zum Geschäft gewordene Unternehmen, auch wenn in der Retrospektion bewundernd festgestellt werden muß, daß es über die Jahre keine vergleichbare Firma dieser Größe gab, die ein derart breites, engagiertes und freizügiges Musikprogramm repräsentierte wie Rough Trade: Die Firma veröffentlichte oder betreute The Smiths, die Pixies, Soul Asylum und Happy Mondays und schaffte es durch Zusammenarbeit mit neuen, angesagten Labels, nicht den Anschluß an weit jenseits von Punk und New Wave anzusiedelnde Strömungen zu verlieren: 4AD, Rhythm King, Factory, One Little Indian, all diese Labels hatten Platz im Bauch des Independent-Mutterschiffs Rough Trade.
     Vor fast zehn Jahren sank dann der Dampfer bei blendenden Umsatzzahlen: Die Zahlungsunfähigkeit des Großhändlers Cartel und die Investitionen in das Amerika-Geschäft ließen Rough Trade über Nacht Pleite gehen. Rough Trade Deutschland, wirtschaftlich intakt, machte unter altem Namen als Vertriebsfirma weiter, obwohl die Rechte am etablierten Markenzeichen urplötzlich nicht mehr bei ihnen lagen, sondern mit der Konkursmasse verscherbelt wurden. Das Geschäft mit der Popmusik, ohnehin eines der geschichtslosesten, lief also weiter, auch ohne all die epochalen Rough-Trade-Platten im Back-Katalog, dafür mit eigenem, auf Deutschland zugeschnittenem Label Our Choice, mit Techno und Dance Music, und immer noch mit Vertriebsdeals, die den guten Ruf von Rough Trade in Musiker- und Journalistenkreisen unangetastet ließ: Palace und Smog, Royal Trux und Aphex Twin - im Zweifelsfall waren gute CDs im Rough-Trade-Programm zu finden. Und eher idealistische Projekte wie Hörspiel-CDs, Theatermusiken und der Import der Musik amerikanischer Kleinstgruppen trugen zur Credibility bei - nein, Rough Trade in den 90er Jahren mutierte nicht zur zweiten Virgin, vergaß sich nicht im Gewimmel von Umsatztabellen und Gegenwartsduselei - und bewies Kompetenz im Umgang mit dem ganz großen Geschäft.
     Dann, wie oben schon erwähnt, kam Zomba. Und jetzt ist der Name Rough Trade weg. Die Geschäftsführer und Miteigner, der Leiter der Promotion-Abteilung, die anderen langjährigen Mitarbeiter, alle beteuern, dies sei nur eine formale Aktion, die inhaltliche Glaubwürdigkeit sei ja bereits durch die personelle Kontinuität auf fast allen Ebenen der Firma gewährleistet. Und das Verschinden der eben idealistischeren Kleinprojekte, die Aufkündigung langjähriger Beziehungen mit schwierigen Musikern und Musiken, habe mehr damit zu tun, daß der Konzentrationsprozeß auf dem deutschen Tonträgermarkt nahezu abgeschlossen sei und 10 Abnehmer bundesweit für 80% des Umsatzes sorgen. Und die bestellten eben Britney Spears und nicht Ton-Collagen von Andres Ammer. Wir wissen, daß einem der Schneid auch scheibchenweise abgekauft werden kann, aber selbst wenn sich an der unter dem Strich guten Arbeit von Rough Trade Deutschland unter dem neuen Namen Zomba nichts ändern sollte: Fernab von seinem Entstehungsort London, an einer Tür in Herne, verschwindet heute der Name Rough Trade aus dem Popgeschehen und mit ihm der letzte Abglanz eines einst großen Versprechens. Und was noch mehr ist: eines gehaltenen Versprechens. Gerade deshalb sind ein paar Menschen heute sehr traurig.

 

 

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