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1982 gründete Rough Trade in Zusammenarbeit
mit einem deutschen Importeur Rough Trade Deutschland, gerade rechtzeitig,
um den ersten kommerziellen Erfolg der Label-Geschichte miterleben
zu können: "Blue Monday" von New Order wurde ein Riesenhit; die
Probleme einer idealistischen Kleinstfirma im Handling großer Umsätze
und Stückzahlen deuteten sich damit erstmals an.
Rough Trade expandierte, wollte sich
vor allem auf dem amerikanischen Markt etablieren - ein Faß ohne
Boden, wie sich herausstellen sollte. In Europa dagegen florierte
das inzwischen gänzlich zum Geschäft gewordene Unternehmen, auch
wenn in der Retrospektion bewundernd festgestellt werden muß, daß
es über die Jahre keine vergleichbare Firma dieser Größe gab, die
ein derart breites, engagiertes und freizügiges Musikprogramm repräsentierte
wie Rough Trade: Die Firma veröffentlichte oder betreute The Smiths,
die Pixies, Soul Asylum und Happy Mondays und schaffte es durch
Zusammenarbeit mit neuen, angesagten Labels, nicht den Anschluß
an weit jenseits von Punk und New Wave anzusiedelnde Strömungen
zu verlieren: 4AD, Rhythm King, Factory, One Little Indian, all
diese Labels hatten Platz im Bauch des Independent-Mutterschiffs
Rough Trade.
Vor fast zehn Jahren sank dann der
Dampfer bei blendenden Umsatzzahlen: Die Zahlungsunfähigkeit des
Großhändlers Cartel und die Investitionen in das Amerika-Geschäft
ließen Rough Trade über Nacht Pleite gehen. Rough Trade Deutschland,
wirtschaftlich intakt, machte unter altem Namen als Vertriebsfirma
weiter, obwohl die Rechte am etablierten Markenzeichen urplötzlich
nicht mehr bei ihnen lagen, sondern mit der Konkursmasse verscherbelt
wurden. Das Geschäft mit der Popmusik, ohnehin eines der geschichtslosesten,
lief also weiter, auch ohne all die epochalen Rough-Trade-Platten
im Back-Katalog, dafür mit eigenem, auf Deutschland zugeschnittenem
Label Our Choice, mit Techno und Dance Music, und immer noch mit
Vertriebsdeals, die den guten Ruf von Rough Trade in Musiker- und
Journalistenkreisen unangetastet ließ: Palace und Smog, Royal Trux
und Aphex Twin - im Zweifelsfall waren gute CDs im Rough-Trade-Programm
zu finden. Und eher idealistische Projekte wie Hörspiel-CDs, Theatermusiken
und der Import der Musik amerikanischer Kleinstgruppen trugen zur
Credibility bei - nein, Rough Trade in den 90er Jahren mutierte
nicht zur zweiten Virgin, vergaß sich nicht im Gewimmel von Umsatztabellen
und Gegenwartsduselei - und bewies Kompetenz im Umgang mit dem ganz
großen Geschäft.
Dann, wie oben schon erwähnt, kam
Zomba. Und jetzt ist der Name Rough Trade weg. Die Geschäftsführer
und Miteigner, der Leiter der Promotion-Abteilung, die anderen langjährigen
Mitarbeiter, alle beteuern, dies sei nur eine formale Aktion, die
inhaltliche Glaubwürdigkeit sei ja bereits durch die personelle
Kontinuität auf fast allen Ebenen der Firma gewährleistet. Und das
Verschinden der eben idealistischeren Kleinprojekte, die Aufkündigung
langjähriger Beziehungen mit schwierigen Musikern und Musiken, habe
mehr damit zu tun, daß der Konzentrationsprozeß auf dem deutschen
Tonträgermarkt nahezu abgeschlossen sei und 10 Abnehmer bundesweit
für 80% des Umsatzes sorgen. Und die bestellten eben Britney Spears
und nicht Ton-Collagen von Andres Ammer. Wir wissen, daß einem der
Schneid auch scheibchenweise abgekauft werden kann, aber selbst
wenn sich an der unter dem Strich guten Arbeit von Rough Trade Deutschland
unter dem neuen Namen Zomba nichts ändern sollte: Fernab von seinem
Entstehungsort London, an einer Tür in Herne, verschwindet heute
der Name Rough Trade aus dem Popgeschehen und mit ihm der letzte
Abglanz eines einst großen Versprechens. Und was noch mehr ist:
eines gehaltenen Versprechens. Gerade deshalb sind ein paar Menschen
heute sehr traurig.
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