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Des Kaisers neue Kleider Teil 1 : 2
Sensationelle Anzeichen einer Wiederauferstehung: Rockmusik doch nicht tot!  
 

"Touch of Grey" hieß eine späte Hitsingle der kalifornischen Proto-Hippies Grateful Dead, ihre erfolgreichste passenderweise: "Every silver lining's got a touch of grey..." Wie ein stolzer Papa wirkt Bassist Phil Lesh, wenn man das Cover-Foto von 1987 heute betrachtet, wie ein 50jähriger eben, der, hoppla, noch einmal und völlig unerwartet Vater wird, während Jerry Garcias Gesicht eher etwas von der mürrischen Schwiegermutter hat, so ein "Wie konnte das passieren"-Gesichtsausdruck, Foto gewordenes Achselzucken, dabei ist er es, der im wirklichen Leben gerade zum vierten Mal mit Nachwuchs beglückt wurde: "I will get by", singt Garcia die Worte seines Hofpoeten Robert Hunter, und "I will survive". Hat er nicht. Vor fünf Jahren ist Jerry Garcia gestorben und mit ihm auch die Rockmusik. Ein kleines Stück zwar nur, aber immerhin. "Rock ist tot" klingt ein wenig wie "Gott ist tot" und wird genauso gerne missverstanden wie Nietzsches Diktum. Einmal sind die Kirchen voll, einmal sind die Kirchen leer: Das hat wenig damit zu tun, dass nach Nietzsches, Kierkegaards oder Stirners Ansicht der Mensch in der Moderne eine selbstbestimmte Existenz führt, die der Rückversicherung bei übergeordneten Instanzen wie Gott nicht mehr bedarf. Und ebenso wenig konnte in den letzten zehn Jahren weder die Rückbesinnung auf das künstlerische Band-Konzept à la Radiohead, noch die gewohnheitsmäßige Wiederauferstehung aller Untoten der Rockmusik von Velvet Underground bis Black Sabbath etwas daran ändern, dass gitarrengetriebene Musik tot war, der musikalische Gottesbeweis zweier Generationen obsolet gemacht durch Nullen und Einsen, durch Sampler und Turntables und Computer und Mischpulte. Daran änderte keine noch so gute Platte von Wilco bis Nirvana etwas: Rockmusik war etwas für Einzelne, für Zurück-Gebliebene geworden. Und zu den Rolling Stones ins Stadion pilgert man wie zum Passionsspiel in Oberammergau: Neugierig, weil es so selten ist. Berührt, weil es mit der eigenen Vergangenheit zu tun hat. Aber definitiv unzufrieden damit: weil die Gegenwart fehlt, die Moderne, die (Zeichen-)Sprache der neuen Zeit. Auch die Rockmusik hat - wie die Religion in Europa - ihre essentielle Bedeutung eingebüßt: ein die Generation einendes, sinnstiftendes, kommunales, bewusstseinserweiterndes und gesellschaftsveränderndes Konstrukt zu sein unter dem Zeichen der Gitarre, zum letzten Mal erfolgreich in diesen säkularen Heilskontext gestellt durch Prince, als er "The Cross" einspielte - das war 1987.
      Allein schon der Gruppenname! Übersetzt heißt er etwa: "Gutes Gelingen, schwarzer Kaiser" und wurde nicht etwa Franz Beckenbauer nachgerufen, wenn er in die Welt aufbrach, um deren Meisterschaft nach Deutschland zu holen, sondern soll aus einem japanischen Motorradfilm stammen. Doch hier trippeln wir schon auf die Leimruten der Mythenbildung, ausgelegt von einem Musikerkollektiv, das sich hinter diesen Mythen verschanzen will: Wir nennen nur unsere Vornamen, Efrim, David, Aidan... Wir leben in einer Industriebrache nahe Montreal. Wir sind dreißig oder mehr. Wir sind arm. Wir sind klug. Wir sind laut. Wir sind Anarchisten. Wir hassen die Musikindustrie. Wir hassen die Presse. Ihre meist kollektiv gegebenen Interviewauskünfte sind Lehrstücke in Sachen Gruppendruck und Paranoia. Und dazwischen detonieren dann und wann kleine Bohème-Weisheiten: "Wenn ich ein peinliches Gespräch führen will über Dinge, die mir selbstverständlich erscheinen, gebe ich keine Interviews, sondern besuche meine Eltern." Die Titel ihrer bisherigen Veröffentlichungen sind betont kryptisch, etwa "f#a#8", oder - wie im aktuellen Fall - ellenlang wie die Stücke der Gruppe: "Levez Vos Skinny Fists Comme Antennas to Heaven". Genau.

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