|
Seit 1991 ist alles anders. Seit Nirvana mit dem Album "Nevermind"
und der Single "Smells Like Teen Spirit" an die Spitze der internationalen
Hitparaden marschierte, öffnen sich Kundschaft und Vermarkter mehr
und mehr jenen lärmenden und rollenden Klängen, die man zuerst Punk,
später Independent Music, also "unabhängige" Musik, genannt hatte.
Gut, schön, wunderbar. Das wollten doch alle: gute Musik, die sich
gut verkauft. Sieg. Victory.
Aus Independent wird was? Dependent,
abhängig? Die erfolgversprechendesten Bands der zweiten und dritten
Punkphase haben fast alle bei den großen Labels und Vertriebsorganisationen
unterschrieben, die ihre Lernfähigkeit unter Beweis stellen, da
sie die jungen Wilden nicht in Richtung ehemaliger Mainstream drängen,
sondern die Idiosynkrasien der einzelnen Gruppen pflegen, dulden,
lächelnd vermarkten. Und umgekehrt haben die aus dem Kleinlabel-Bereich
kommenden Bands im Lauf der Jahre und am Beispiel der gescheiterten
Vorgänger gelernt, wie man seine Interessen gegenüber multinationalen
Konzernen vertritt, seine Identität bewahrt, seine Musik vor Fremdansprüchen
schützt und auch noch drei Dollar übrig hat, wenn am Ende abgerechnet
wird. Sieg. Victory.
Ein Blick in die Verkaufslisten genügt,
um den Triumphzug der ehemals Independenten zu belegen, und zu zeigen,
wie aus einer kommerziellen und ästhetischen Alternative ein Sound
und aus einem Sound ein neues Marketingkonzept wurde, das scheinbar
die Alternative unnötig macht. Nirvana, Soul Asylum, Smashing Punpkins,
R.E.M., Red Hot Chili Peppers, Pearl Jam, Sonic Youth, Sugar lösen
sich ab in den Charts. Sieg? Victory?
Bei aller Freude darüber, daß ein
Kurt Cobain zeitweilig mehr CDs verkauft als ein Barry Manilow oder
Michael Jackson, bleibt doch die Tatsache, daß mit dem Sieg auch
die Restauration einsetzt: So wird die deutsche Hitparade angeführt
von 4 Non Blondes, die zwar nicht von ihrer Geschichte, wohl aber
von ihrem Sound her in die Erfolgsgeschichte der neuen Rockbands
passen und deutliches Zeichen sind, wo die ganze Chose hinschippert
- ins bedeutungslose Mittelmaß, in die Etablierung einer neuen Formel
für Mainstream. Da paßt auch der Auftritt der Smashing Pumpkins
in Riem ins Bild: erfolgreiche Gruppe mit Vertrag bei Virgin Records,
momentane Platzierung in den US-Charts auf 21, ausverkaufte Halle,
schwitzende Leiber vor der Bühne, Tanz, Drängeln, nette Songs mit
allen Accessoires des ehemals Dissidenten, nöhl, quengel, dröhn,
schepper. Im hinteren Teil der Halle beobachtet der erfolgreiche
Chef des deutschen Ablegers der Plattenfirma zufrieden das vielversprechende
Geschiebe der potentiellen Käuferschar, während seine Promotion-Angestellten
die zahlreich vertretene Journaille belabern. Business as usual,
völlig losgelöst von der Musik oder deren Inhalt. Zurück bleibt
dieses ungute Gefühl, sich irgendwie schmutzig gemacht zu haben.
Das richtet sich nicht gegen die Band, die Plattenfirma, ihren Chef
oder die Promoter. Das Konzert war schon okay. Keine blöde Anmache,
schlechter Sound und drei gute Melodien. Smashing Pumpkins. Trotzdem:
Es verströmt alles einen Verwesungsgeruch, keinen Teen Spirit. Ich
komme mir wie ein romantischer Trottel vor inmitten der gutgelaunten
Menge, wenn ich glaube, daß dieser Sieg und das damit verdiente
Geld doch stinkt. Was der Welt ziemlich wurscht sein dürfte.
|
Weiter
>>
|