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Also sucht der Trottel - wieder einmal
- eine Alternative. Etwas Neues wäre das falsche Wort. Eher etwas
Wunderbares, Seltenes, das eine Band wie die Smashing Pumpkins verloren
hat, wenn sie es denn je besaß. Das muß keine Musik oder kein Stil
sein, die keiner kennt, keine elitäre Raritäten-Attitüde. Ich haße
dieses Kennst-Du-Hast-Du-Weißt-Du. Was ich suche, ist bei Neil Young
zu hören, bei Prince, und hat mit Erfolg und Geld nichts zu tun.
Trotzdem findet es sich öfters bei Musikern, die sich (noch) außerhalb
des etablierten Geschehens bewegen. Sagen wir: Lorette Velvette.
American Music Club. Ween. Sebadoh. Yo La Tengo. Oder Robert Forster.
Unmittelbarkeit ist wahrscheinlich das beste Wort. He hit me and
it felt like a kiss. Immer wieder dieser Kuß. Vorspiegelung einer
Realität als Klassenziel popmusikalischer Künstlichkeit. Romantischer
Trottel, wie gesagt. Unverbesserlich, wie Robert Forster bei seinem
grandiosen Auftritt in der Kulturstation. Country erzählt die Geschichten,
Folk gibt die Haltung des Außenseiters an, Rock macht den Lärm,
und Robert Forster faßt dies alles zusammen in Liedern, die danach
fragen, wessen Musik sich besser hören läßt im Dunkeln, die von
Townes Van Zandt oder die von Guy Clark. Dies ist die "unmittelbare
Sprache der Freiheit, die gefährlicher ist als jeder Gegenbeweis
und jedes technische Machtmittel...Sie kann durch ein Lied, eine
Melodie, einen Tanz sprechen". Schrieb Ernst Jünger 1958.
Die Unmittelbarkeit der Popmusik darf
nicht den Konventionen geopfert werden, auch wenn es neue Konventionen
sind, die wie die Freiheit selbst daherkommen. Ein akustisches Paradebeispiel
zur Untermauerung dieser These ist die CD "Novaya Scena - Underground
from Ukraine" (WSFA/Indigo SF 133). Hier können wir 14 Bands hören,
die großenteils gegen Stalin, Gulag und kommunistischen Terror ansangen,
bevor Glasnost zum Trend wurde, ja, die aufhörten "Nieder mit den
Stalinisten!" zu brüllen, als die etablierteren, die wohltönenderen
Gruppen damit begannen, das Terrain zu besetzten, auf dem sich heute
auch in Rußland oder der Ukraine viel Geld verdienen läßt: Konsensprotest
einerseits, nationalistische Parolen zu westlichen Melodien andererseits.
Zu Gorbatschows Zeiten wandten sich diese Bands aus Kiew und Charkow
anderen Traditionsmöglichkeiten zu als der langsam ins Land kommenden
Popmusik, Soldatenliedern aus dem 19. Jahrhundert, Propaganda-Reimen
aus den 30er Jahren, dem Avantgardisten Alfred Schnitke, kasachischen
Volksliedern. Um so erstaunlicher, daß die Ergebnisse - Pop sind.
Dissidentes Verhalten zeitigt trotz völlig unterschiedlicher Motivation
und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen immer Musik zur Zeit, die
in Glasgow, Charkow und Seattle zu ästhetisch ähnlichen Lösungen
führt. Die Namen der Bands und Interpreten aus Kiev und Charkow?
Mit "Novaya Scena" geht es mir wie mit russischen Großromanen: Man
kann sich das Personal nicht merken. Aber den Sound wird niemand
vergessen, der eine Punkplatte sein eigen nennt. Hier spielt die
Musik, weit ab von Billboard Charts, Popmusik-Messen und Smashing
Pumpkins. Hier ist Leben, Unmittelbarkeit. Hier gehören die Trottel
hin.
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