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Väter Söhne Enkel (Fortsetzung) Teil 1 : 2
 

     Die eklektische Mentalität der frühen Jahre ist längst einer gewachsenen Au-thentizität gewichen, was damals von Blues, Bluegrass, Country und der Mu-sik der Arbeiterbewegung geborgt, ko-piert, variiert wurde, ist längst als originär kanonisiert - Folk, der ge-rade sein werweißwievieltes Revival er-fährt und dessen Haltung ebenso gut zu den Grunge-Geräuschen der neunziger Jahre paßt wie in seiner Frühphase zum Rock & Roll. In seiner Zugabe demon-striert dies Jeff Buckley, Sohn des großen Tim Buckley, der Mitte der siebziger Jahre den Herointod starb. Tim stand für die Generation nach Hur-ley; er wollte schon wieder über die Grenzen des damals im Pop möglichen hinaus. Dazu nutze er sein nie er-reichtes lyrisches Talent und seine artistische Stimme, Songschreiber, Songzerstörer, Selbstzerstörer. Sohn Jeff scheint eines seiner Opfer gewe-sen zu sein, denn über den kaum ge-kannten Vater will er nicht sprechen, doch hat er sein schnuckliges Äußeres und seine Stimme geerbt, und beides benutzt er schamlos, um auf sich auf-merksam zu machen. So verkommt noch vieles zum Kunsthandwerk, zur farce-haften Wiederholung der väterlichen Leistungen, doch wenn Jeff Buckley das Exhibitionistische in den Griff kriegt, mag er eine Chance haben, aus eigenem Recht dort oben auf der Bühne zu stehen - und nicht als Sohn, als Stimmfreak, als Attraktion für einen kurzen Herbst..
     Die siebziger Jahre machten aus den Songwritern und Folkies obsolete Lang-weiler oder eben Klangforscher vom Schlage Tim Buckleys oder Joni Mit-chells. Mit Recht erhielt das Genre vom Punk eine aufs Maul, und irgendwie fiel auch Jonathan Richman unter diese Rubrik: Genau erinnere ich mich, den Begriff "New Wave" erstmals im Radio gehört zu haben als Genrebezeichnung für Richmans "Egyptian Reggae". Das war zwar kaum ein Reggae und keines-falls New Wave, dokumentierte aber die Ratlosigkeit jener Jahre im Umgang mit diesem Parzifal der Popmusik, der sein reines Innerstes nach außen kehrte, auf daß es eine ordentliche Sonnen-bräune bekäme. Bei seinem Münchener Konzert spaltete sich das Publikum schnell in zwei Fraktionen: die einen glaubten ihn schon viel lustiger, spontaner, jünger und intelligenter erlebt zu haben und grantelten im Rückraum herum, wünschten Richman in die Fußgängerzone und überhaupt. Nun, vielleicht waren sie selbst dereinst spontaner, naiver und intelligenter und vertragen es nicht, daß ein Garant der ewigen Jugend in die Jahre kommt und ihnen wie aus einem Spiegel entge-genblickt. Der Großteil war jedenfalls begeistert, gerührt, gut unterhalten - und gut bedient, den da war er, der lebende Beweis für die Existenz des Grals. Den Nörglern fehlte nur der Mut, ihn anzunehmen.
     Robert Forster war mit Freund Grant McLennan eines der talentiertesten Songwriter-Duos der achtziger Jahre, aktiv in der Gruppe Go-Betweens. Alle Jahre wieder kehrt Forster zurück, diesmal unterstützt von Baby-You-Know-Musikern und einem Schlagzeuger aus dem heimischen Brisbane. Seine Kon-zerte zählen zu den sicheren Highlights jeder Saison, popgetränkte Wissenslieder, die ihre Kraft aus den gleichen Quellen wie Hurley und die anderen schöpfen, aber die Summe von drei Jahrzehnten Pop bewußt ausstel-len: Wenn Robert Forster spielt, spielt auch Dylan mit der Band, spie-len Velvet Underground die Hillbilly-Karte, überdrehen Roxy Music und be-zaubern die Go-Betweens. Das Kunst-stück liegt aber nicht im Zitat oder im covern bestimmter Songs, sondern in der Fähigkeit, die Präsenz der Vergan-genheit als neue schöpferische Lei-stung glaubhaft zu machen.
     Eine gegenteilige Methodik wendet Will Oldham an, der Mann hinter den Palace Brothers, instinktiver Dekonstrukteur, Heulboje, Rocker, Hillbilly, ein Ge-sicht wie eine halbgeöffnete Sardinen-büchse, eine Seele mit Wundbrand: was für ein Konzert! Nur als Hilfskon-struktion soll der Hinweis dienen, daß diese Live-Version der Palace Brothers nach den unterschiedlichen Vinyl-Her-vorbringungen am ehesten mit Crazy Horse zu vergleichen wäre, angeführt von einem Neil Young aus der "Time Fades Away"-Phase, aber Oldham braucht keine Vergleiche - da wächst ein Großer heran, führt weiter und aus den neunziger Jahren hinaus, was die zu-rückführende Kette Jeff Buckley -Forster - Richman - Tim Buckley bei Leuten wie Michael Hurley gelernt hat, der wiederum nur am Anfang und am Ende einer langen Verknüpfungsgeschichte stand, als seine erste Platte mit dem lakonischen Titel "First Recordings" erschien. "Will the Circle be Unbroken" - die Kette, der Kreis ist bedroht, der Schwurbel allgegenwärtig und übermachtig. Aber etwas Besseres als das Gute haben wir nicht im Kampf gegen die Verblödung.

 

 

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