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Nicht, daß er etwas mit Pop zu tun gehabt hätte. Oder Pop mit ihm.
Aber Carl Schmitt hat einmal darauf hingewiesen, daß die technische
Welt ein Vakuum schaffen würde, ein klaffendes Nichts, entpolitisiert,
neutralisiert. Und romantisch veranlagt, wie sie nun einmal ist,
tut die Musik der technischen Welt, tut die Popmusik dem alten Griesgram
den Gefallen und verabschiedet sich stilvoll ausgerechnet zur Jahrtausendwende.
Noch vor 20 Jahren hat man sich, während
"no future!" die Feuilletons beschäftigte, das Ende der Popmusik
ganz mechanistisch vorgestellt. In der argumentativen Tradition
des Club of Rome wurde der populären Musik ein nahendes Ende der
Ressourcen vorausgesagt: Bittschön, so und so oft kann man diesen
und jenen Ton miteinander kombinieren, Subdominate hier, die Kunst
der Fuge und des Unfugs dort, so und so oft ist dies bereits geschehen
- im Jahr 2000 wird jedwede Melodei komponieret sein. Schluß mit
der Popmusik. Es werden nur mehr die alten Lieder geträllert.
Nun hat dieses Pop-Untergangsszenario
höchstens Urheberrechtsanwälte fasziniert; die Hörer und die Macher
der Popmusik delektierten sich an der zitatsüchtigen Postmoderne,
um schließlich mit kleinen und billigen Digitalkisten den ganzen
"Das ist mein Dreiklang!"-Unsinn in die Umlaufbahn für bescheuerte
Utopien zu schießen, in dem bereits atomgetriebene Rasenmäher und
die Unterwassergroßstädte kreisten. Sampling und computergestützte
Musikgenerierung verwandelten die gesamte Musik-Vergangenheit in
einen Materialsteinbruch, in dem ganz und gar und wie in einem Garten
Eden der Musik neu angefangen werden konnte: Hip Hop, Jungle, Drum
& Bass, Big Beats, Techno...
Techno trägt die von Schmitt gemeinte
Technisierung der Welt bereits im Namen vor sich her: führt sie
im Schilde. Eine Geräuschflut hob mit Techno an, die selbst den
ausgebufftesten Futuristen dazu getrieben hätte, sich vor die Pferdebahn
zu werfen. Ohrenärzte warnen. Dem Bürger fliegt vom Spitzen Kopf
der Hut. Und meine Kinder fragen milde lächelnd, was denn das für
schöne Musik sei - wenn ein Elektromotor surrend anspringt: "Elektromotor"
und "Motor Music" sind übrigens die Namen zweier erfolgreicher Marketing-
und A&R-Abteilungen des Polygram Konzerns.
Nun setzte vor zehn Jahren mit Techno
allerdings auch die von Schmitt prophezeite Entpolitisierung und
Neutralisierung ein, die man bis heute fälschlicherweise für eine
zyklische Gegenreaktion auf zuviel 1968 und zuviele altkluge Punkrocker
hält: Dabei paßten zyklische Modelle viel besser zu Carl Schmitt
und seiner Welt zwischen Reaktion und Magengeschwür. Die Raver,
frei von jedem eigenen Gedanken, haben die Erklärung ihres Nicht-Sprechens
als Kommunikationsverweigerung dankbar angenommen, weil man sie
seither in Ruhe weitertanzen läßt. Aber die Wahrheit scheint viel
eher zu sein: Da "es" nicht denkt, spricht "es" auch nicht. Und
wenn "es" spricht, wie zur Eröffnung der Love Parade etwa, dann
sehnt man sich nach seinem Schweigen. "Es" hat nichts zu sagen.
"Es" existiert einfach. Als Typographie. Als Sound. Und bei der
Landtagswahl in Bayern wählen mehr als 50% der Neuwähler die CSU.
Worüber nicht einmal die CSU glücklich sein sollte, denn: "Wer mit
18 kein Kommunist gewesen ist, aus dem wird nie ein guter Demokrat".
Wehner. Herbert Wehner. Wenn ich mich nicht irre, hihihi.
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