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Nichts ist schließlich auch was (Fortsetzung) Teil 1 : 2
 

     Viel ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten über die Dissensfähigkeit der Popmusik geschrieben worden, über ihre unbezähmbare Kraft, mit der sie sich selbst und die Kulturgeschichte der Menschheit ins Unbekannte, in die Zukunft propelliert: Doppel-Pop mit der Kraft der zwei Herzen. Und jetzt, da die BBC, die in ihrer Geschichte mehr Popsongs mit Ausstrahlungsverbot belegt hat als der Bayerische Rundfunk, zur Jahrtausendwende ein Mammut-Vorhaben ankündigt, in dem Zeitgeschichte und Popmusik ineinander auf- und übergehen werden, weil "Popmusik die universalste Form der populären Kultur auf diesem Planeten" sei, ausgerechnet jetzt scheint Popmusik abtreten zu wollen.
     Abtreten - den sterben wäre zuviel gesagt, wäre falsch. Popmusik scheint sich nur so sehr entleert, so sehr ausgegeben zu haben, daß sie sich kraftlos neben die sogenannte Klassik auf eine Parkbank plumpsen lassen wird, um darauf zu hoffen, daß der frische Wind des neuen Jahrtausends dem einen oder anderen Mädchen, das vorbei geht, den Rock etwas in die Höhe wirbeln wird. Und selbst dieser Rock hat keinen Gebrauchswert mehr, wie Karl Marx einst vermutete: "Für mich ist Rock'n'Roll nur eine Winzigkeit entfernt vom Pornogeschäft. Wir machen Rockmusik nicht, weil Rock von besonders weltverändernder Wichtigkeit wäre. Wir machen Rock, weil es Spaß macht und man sich dabei gut fühlt." Geben Fastball zu Protokoll, Retro-Aufsteiger dieses Jahres. Man hat halt sonst nichts gelernt.
     Die Symptome für die Entkräftung: die operettenhafte Harmlosigkeit von Drum & Bass. Die Pseudolebendigkeit der Big Beats: mehr ein Riesenfreundschaftsbecher. Anschließend muß man kotzen. Der zunehmende Nationalismus der Märkte. Der Verlust jeglicher Lust am Dissens, der ersetzt wird durch kleine Verletzungen der Oberflächen, die ihre Entsprechung wiederum in der Tatoo- und Piercing-Welle finden. Der Siegeszug der Musik aus Filmen. Vor einigen Jahren ein Nischengeschäft, verstopfen die von Kennerhand zusammengestellten Soundtracks zur Zeit die Charts, ergänzt um die gnadenlos erfolgreichen Würstelbuden der Popmusik, ob sie sich nun "Innovators" nennen oder "Kuschelrock 12" - CDs ohne nennenswerte Produktionskosten, ohne neue Musik und mit Umsätzen, die die angeschlagenen Tonträgerfirmen unterm Strich am Leben erhalten. Ein Leben, das demnächst sanft ins Virtuelle, ins Datennetz, ins endgültig rein Technische hinübergleiten wird.
     Popmusik vor der Jahrtausendwende: Leer. Neutralisiert. Ein paar Experten vermuten Pops jüngeren Bruder irgendwo im Internet, irgendwo in der Playstation, mag sein. Carl Schmitt, um ihn wirklich zum letzten Mal zu bemühen, vermutet, daß das durch die Technisierung hervorgerufene Vakuum eine Usurpation durch etwas Totalitäres geradezu provoziere. Auch hier: Mag sein. Aber viel wahrscheinlicher ist, daß all dies viel zu linear, viel zu Club-of-Rome-mäßig gedacht ist und hinter dem Nichts, zu dem Pop zu werden droht, etwas Neues, etwas wunderbar Schönes auf uns wartet: Zukunftsmusik.

 

 

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