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Wer einmal unter dem fürchterlichen
Bann der Sabbaths stand, kann nimmermehr entfleuchen. Auch diesen
Kernsatz jeder ordentlichen Anti-Satanismus-Paranoia soll eine Anekdote
aus dem unerschöpflichen Fundus Sabbath'scher Ungeheuerlichkeiten
untermauern: Ein zur Bühnenshow gehörender Zwerg, der wie sein Meister
stark dem Alkohol zuneigte, entfernte sich vor einem Auftritt unerlaubt
von der restlichen Zwergenschar, um seinem Laster zu frönen. Ein
riesiger Leibwächter wurde ausgeschickt, den Zwergenwüchsigen beizubringen.
Der Einfachheit halber packte der Riese den Entlaufenen, schulterte
ihn zuerst und versuchte dann, ihn im Gepäcknetz des Tourbusses
zu verstauen. Eine Passantin geriet über soviel Mißachtung jeglicher
Menschenwürde in Rage und beschimpfte den Muskelberg, der unflätig
reagierte und schließlich kundtat, das sei sein verfluchter Zwerg,
worauf es aus dem Gepäcknetz tönte: "Genau, hau ab. Ich bin sein
verfluchter Zwerg!" Wie der Zwerg, so der Fan, so eine Unzahl junger
Bands, die in den achtziger Jahren Sabbath'sche Stilmittel in immer
exzessivere Lärmzusammenhänge stellten und sich dabei stets gen
Birmingham verneigten, wohl nicht wissend, daß die Urväter des Bösen
nach dem Kinobesuch des "Exorzisten" es den ganzen Abend nicht wagten,
allein in einem Zimmer zu bleiben.
In den letzten Jahren ist es - ein
schiefes Bild, gewiß - recht still geworden um Black Sabbath, Ozzy
Osbourne und um Metal allgemein. Ecstasy, die Droge der letzten
10 Jahre, paßt nicht zu den sinistren Musiksteinbrüchen und Hochöfen
der Schwermetaller; vorbei die Zeiten, als Marktführer wie Metallica
oder Napalm Death ihre Alben mühelos in hohen Millionenzahlen unters
taube Volk bringen konnten. Wobei betont werden muß: der unschuldige
Grad an Debilität und die hohe "Turbo-Blues-Sexiness", wie Kollege
Roger Morton es nannte, fehlte den legitimen und illegitimen Kindern
Black Sabbaths. Die war nur dem Original eigen.
So fällt es diesen heiligen Narren
jetzt leicht, als faltige, geläuterte, gut verheiratete, kinderreiche,
abgespeckte und absolut nüchterne Erwachsenen-Version ihrer selbst
auf die Bühnen zu steigen. Aus England dringt die Kunde ans pfeifende
Ohr, es sei phantastisch. Ich glaube es aufs Wort.
Es ist Winter geworden, Zeit der Jahresrückblicke
und Besinnungssendungen im Fernsehen. 1997 war für mich das erste
Jahr, in dem die Welt der Gitarrenmusik stehengeblieben ist, auf
hohem Niveau stagniert hat. Okay, Dylan in seinem einsamen Orbit
zeigt allen, wo der Hammer hängt. Aber die Jungen graben sich bloß
ein in einem Haufen mufflig riechender Zitierware. BritPop? Spiritualized,
Radiohead, Verve und Primal Scream laut New Musical Express die
besten Gruppen des Jahres, der Welt? Nicht wirklich, oder? Nicht
in diesem Leben. Die Musik spielt, aber sie heißt Techno oder Drum'n'Bass
oder Elektronica oder Big Beats oder Dub oder Jungle oder Speed
Garage. Dort ist Innovation, Moderne, dort holt der Bartel den Most.
Und wo Gitarren noch vielversprechend tönen, bei Royal Trux oder
Bardo Pond etwa, ist die Black Sabbath'sche Lava nicht weit. So
wollen wir im nächsten Jahr unsere imaginären Matten über imaginäre
Gitarren baumeln lassen, auf denen wir imaginäre Soli spielen und
ab und zu laut grunzen: "I'm an Iron Man!"
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