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Natürlich war er blind: Reverend Gary Davis, Gospelmusiker, Bluessänger,
Chefausbilder des weißen Folk-Revivals und einer der besten Gitarristen
der Welt.
Was es an afroamerikanischen Musiktraditionen
so gibt, findet sich im Spiel des Reverend: Ragtime, Blues, Novelty-
und Hokum-Elemente, Jazz, Gospel, ländliche Bauernmusik und Marschkapellen,
Zirkusgebläse und das Geschrei und Getue der Verkäufer von Wundermedizin.
Er konnte alles auf seiner Gitarre, und er spielte auch alles. Den
Mann himself müssen wir uns so vorstellen: Hager mit etwas spöttisch
nach unten gezogenem Mund, Sonnenbrille, dreiteiliger Anzug, weißes
Hemd, Krawatte mit Spange, runder Hut mit nach oben gebogener Krempe.
Vor dem Körper an einem schmalen Lederriemen, sehr hoch getragen,
zuerst eine National Steel Guitar, später eine hölzerne Gibson,
zärtlich "Miss Gibson" genannt. Seine linke Hand ist leicht verkrüppelt,
da nach einem Unfall in der Kindheit schief zusammengewachsen, was
ihm außergewöhnliche und raffinierte Griffe ermöglichte. So steht
er also vor uns: der Prediger in schlechter Gesellschaft.
Auf einer Farm im ländlichen South
Carolina, genauer in Laurens County, wurde vor 99 Jahren Gary als
eines von acht Kindern der Familie Davis geboren, von denen nur
zwei überlebten. Gary wuchs bei der Großmutter auf. Er erinnerte
sich, daß ihm als kleiner Junge ein Arzt Tropfen in die Augen tat
- danach hätte er nie mehr etwas gesehen. Die Großmutter bastelte
ihm nach seiner Erblindung eine Gitarre aus Sperrholz, wohl damit
er beschäftigt war, und sie nahm ihn mit in den Chor der Baptistenkirche.
Als Gary 10 war, wurde sein Vater umgebracht, aber da war er bereits,
wie seine Biographen schreiben, ein Einzelgänger, der sich allein
durchschlagen konnte, ein guter Gitarrist und Banjospieler, einer,
der auf der Straße und bei Gottesdiensten sein Geld verdienen konnte.
Mit 15 war Gary Davis Mitglied der angesehensten String Band der
beiden Carolinas, nämlich der Combo von Willie Walker, der als der
schärfste Picker der Ostküste galt und Garys Lehrmeister in Sachen
Ragtime wurde.
Nach diesen Lehrjahren meldete sich
Gary bei der Blindenschule in Spartanburg, South Carolina, wurde
aufgenommen, konnte Braille lernen und Gitarre lehren. Aber spätestens
1919, also mit 24, mußte er schon wieder unterwegs gewesen sein,
weil er in den Wohlfahrtsakten von Durham in North Carolina auftaucht,
einer Stadt, in die wenige Jahre später zuerst seine Mutter, dann
er selbst zog. Gary Davis' Ruf als Meistergitarrist festigte sich
in diesen Wanderjahren; andere Bluesmusiker suchten und fanden ihn,
um bei ihm zu lernen, aber der verschlossene und eigenwillige Davis
ging selten eine längerfristige Bindung mit Gruppen oder Einzelmusikern
ein. Das Repertoire in den zwanziger Jahren war eine Mischung aus
Gospel und Blues, je nachdem, ob man vor einer Kirche oder in einem
Barrelhouse spielte. Letzteres ließ Gary Davies immer mehr bleiben,
weil er den Blues - völlig zurecht - für Teufelsmusik hielt, etwas,
das den Menschen zutiefst erschüttern, verbittern, entfremden kann,
weil der Blues Fragen stellt, auf die der Mensch bei Gott keine
Antworten findet. Gary Davis suchte und fand statt des Teufels das
Licht des Herrn.
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