|
1992 erschien das Buch INCREDIBLY STRANGE MUSIC, das seither für
viele Pop-Interessierte ein steter Quell der Freude und der Inspiration
ist. Das Herzstück dieses Buchs ist die Vorstellung der beiden Komponisten
Jean-Jacques Perrey und Gershom Kingsley, die um 1970 herum eine
Art Durchbruch der Avantgarde in das Herz des Easy-Listening schafften.
Perrey und Kingsley brachten es für eine Weile fertig, die Ohren
der braven Bürger mit unerhörten Dissonanzen und Experimenten zu
betören, indem sie dem konservativen Geschmack vorgaukelten, der
schräge Witz und der Lärm, den sie fabrizierten, sei nichts anderes
als die Unterhaltungsmusik des anbrechenden Weltraumzeitalters.
Ihre Instrumente waren Bandschleifen, der Moog Synthesizer und die
Ondioline, ein elektrisches Keyboard zur Nachahmung von Originalinstrumenten.
Von Rockfans und E-Musikern gleichermaßen verachtet, schufen sie
ihr kleines, aber erfolgreiches Universum der akustischen Ungeheuerlichkeiten
- sie waren der Spike Jones der Mondlandungsjahre, ihre Musik war
der IN SOUND FROM WAY OUT, so der Titel ihrer ersten gemeinsamen
LP. Im Popalphabet wird heute Gershom Kingsley vorgestellt; auf
der Michel-LeGrand-Ballade UMBRELLAS OF CHERBOURG ist die Ungeheuerlichkeit
seiner Musik zu ahnen: ganz harmlos kommen die verdrehtesten Töne
und Dissonanzen daher, so harmlos, daß in den braven Radioprogrammen,
in schnuckligen Restaurants und dezenten Clubs keiner merkte, was
da eigentlich für ein Höllenlärm veranstaltet wurde...
Gershom Kingsley wurde Anfang der
zwanziger Jahre als Sohn eines polnischen Juden und einer katholischen
deutschen Mutter geboren. Kurz vor der Reichskristallnacht verließ
die Familie Nazideutschland und ging nach Israel, um dort im Kibbuz
den neuen Judenstaat mit aufbauen zu helfen. Gershom war ein musikalischer
Autodidakt; Klavierspielen lernte er von seinem Vater, Ami-Jazz
lauschte er dem Radio ab, Notenlesen brachte er sich selbst bei,
und als er 1941 zur britischen Armee eingezogen wurde, hatte er
bereits in diversen Combos gespielt. 1946 ging Gershom Kingsley
zu seinem Bruder nach Amerika, um an der Juilliard School Musik
zu studieren, mußte aber erst die Highschool absolvieren, um dort
zugelassen werden zu können. In jenen Jahren begann Kingsleys musikalische
"Hurerei": er begleitete einen Stehgeiger und Tanzklassen für Kinder,
gab Stunden oder klimperte in Theatern. An der Uni verzettelte er
sich im gleichzeitigen Studium von Komposition, Dirigieren und Klavier,
so daß er später von sich selbst sagt, er sei dadurch ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen
geworden, der alles und nichts wirklich könne. Nach seinem Studium
blieb Kingsley hauptsächlich beim Theater, arbeitete On und Off
Broadway, dirigierte Musicals und große Shows, erhielt schließlich
zwei Obies, also zwei Theater-Oscars, für seine Arbeit - und zwei
Clio Awards, Auszeichnungen der Werbeindustrie, einen davon für
THE SAVER, eine Kollaboration mit Jean-Jacques Perrey.
|
Perrey/Kingsley
UMBRELLAS OF CHERBOURG
Perrey/Kingsley
THE SAVER
Weiter
>>
|