|
TO KNOW HIM IS TO LOVE HIM
- für Phil Spector gilt das Gegenteil. Er verliert schneller Freunde
wie andere Leute beim Hütchenspiel; er ist rücksichtslos, selbstverliebt,
geht über Leichen, gönnt keinem einen Erfolg. Er arbeitet zwar mit
den besten kommerziellen Songwriter-Teams der sechziger Jahre zusammen,
Barry Mann und Cynthia Weil, Goffin und King, Ellie Greenwich und
Jeff Barry; er sucht sich junge, talentierte Leute für seine Studio-Crew
wie Jack Nitzsche, Leon Russell, Sonny Bono oder Nino Tempo, aber
alle nennt er öffentlich Versager und Schwachköpfe: Nur er, Phil
Spector, ist allein verantwortlich für die Monsterhits der Crystals,
Ronnettes oder Righteous Brothers. Mit der Masche kommt er durch,
weil er Geld verdient, viel Geld. Über das Leben eines Teenage-Millionärs
kann man nachlesen bei Tom Wolfe, der Spectors Ruf als Tycoon durch
einen Aufsatz in das BONBONFARBENE TANGERINEROT-GESPRITZTE STROMLINIENBABY
für die Ewigkeit festhält. Zwischen den Hitmonstrositäten, die angeblich
vom Spector-Sound leben, kann sich der Meister auch mal leisten,
daß eine seiner sicheren Hit-Kandidatinnen den falschen Song zugeteilt
bekommt: 1962 wird eine Single der Crystals wieder vom Markt genommen,
weil sie zu gewagt ist. Behaupten die Damen doch, von ihrem Boy
ins Gesicht geschlagen zu werden, sei so schön wie ein Kuß. Phil
Spector, Prophet verschwommener Teenage-Männerphantasien.
Der Spector-Sound: Phil Spector behauptet,
es gebe keinen Spector-Sound, sondern einen Spector Stil. Sein Arrangeur
Jack Nitzsche behauptet, man brauche nur "vier Gitarren, die Achtelnoten
spielen, vier Klaviere, die loslegen, wenn man das Zeichen gibt,
ein Schlagzeug, das auf der 2 und der 4 rumhüpft, nur Tom-Toms,
kaum Snare und fünf Leute, die Percussion machen". Dazu kommt noch
ein Streichorchester und eine spezielle Echo-Box. Ben E. King behauptet,
daß 95% der Aufnahmen von anderen erledigt wurden; dann "rief man
Spector, der dem Ganzen einen Hauch Genialität einblies. Wie bei
einem tollen Anzug. Man ist korrekt gekleidet, alles bestens, aber
dann kommt noch wer und sucht die passende Krawatte dazu aus, damit
man endgültig fantastisch aussieht. Das machte Spector."
Wie auch immer: Wenn Harry Nilsson
jemanden für Gott hält, können wir nicht das Gegenteil behaupten.
Wir sind immer noch in den frühen sechziger Jahren, als "Musiker"
eine besondere Sorte Frischfleisch zum baldigen Verzehr ist und
Phil Spector neben den Crystals meistens die Ronettes auf die Speisekarte
setzt, ein kaffeebraunes Gesangstrio um seine Ehefrau Ronnie, die
Phil bis zur Scheidung in den frühen siebziger Jahren wie eine Gefangene
im Harem hielt und die sich erst kürzlich mit einem Buch gerächt
hat, das den Titel eines Ronnettes-Hit trägt: BABY I LOVE YOU. Das
Hitpotential der Ronettes kommt allerdings schon bei BE MY BABY
zur Geltung, der definitiven Girl Group Hymne des Jahres 1963.
|
The Crystals
HE HIT ME (AND IT FELT LIKE A KISS)
The Ronettes
BE MY BABY
Weiter
>>
|