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Heute lade ich Sie ein zu einer Reise ins völlig Unhippe, Unmodische,
Unzeitgemäße. Ich biete Ihnen heute Glanz und Elend der Rockmusik
am Beispiel eines Mannes, dessen Debüt-Album als "beste Platte aller
Zeiten" gelobt worden ist, vom Rolling Stone seinerzeit 5 Sterne
verliehen bekam und dessen Zweitling nicht viel schlechter war:
Lernen Sie neu kennen, treffen Sie wieder Steve Krikorian alias
Tonio K.
Krikorian klingt armenisch; Krikorian
ist auch armenisch. Steves Großvater war in die USA emigriert, sein
Vater kämpfte dann schon als braver amerikanischer Bomberpilot gegen
Hitlerdeutschland; Steve als Vertreter der 3. Krikorian-Generation
in Amerika wurde im April 1949 geboren, ein klassischer Baby-Boomer-Jahrgang.
Die Krikorians wohnten in verschiedenen kalifornischen Städten,
zuletzt in Fresno, offensichtlich in einer armenischen Neigbourhood,
da Steves Klassenkameraden Orman, Shapazian oder Mesorobian hießen.
Unter Steves Anleitung wurde fleißig amerikanische Mythologie gebüffelt,
etwa durch möglichst naturalistisches Nachstellen des St. Valentin´s
Day Massakers, aber da muß noch mehr gewesen sein, eine Besessenheit
mit europäischer Geistes- und Literaturgeschichte, oder wie sonst
kann man es sich erklären, daß der Enkel armenischer Einwanderer
seine erste Band The Rake´s Progress nennt, vermutlich nach Strawinskys
Oper von 1951, vielleicht auch nach deren alten literarischen Schelmenroman-Vorlagen
aus England.
1973 machte Steve Krikorian seine
ersten professionellen Aufnahmen als Musiker; er wurde der Sänger
der Crickets, der Begleitband Buddy Hollys und vertrat den unsterblichen,
aber toten Superstar auf zwei LPs. Nach der Zeit als Ersatz-Buddy-Holly
wählte sich Steve Krikorian aus Thomas Manns Oeuvre dessen TONIO
KRÖGER als Alter Ego aus, verkürzte den Namen zu Tonio K und ging
ins Studio...
Als Tonio Ks Debüt LIFE IN THE FOODCHAIN
1978 erschien, kriegte sich der Rezensent im damaligen Meinungsführer-Blatt
Sounds nicht mehr ein; sinngemäß hieß es dort, man habe geglaubt,
Platten wie diese würden nicht mehr gemacht. Damals, zwischen den
Mühlsteinen Disco und Supergruppen-Progressiv-Rock mit Punk am Horizont,
hieß das: Hier löst ein gänzlich unbekannter Musiker aus Kalifornien
das halbvergessene Versprechen ein, daß es straighte Rockmusik geben
könnte, die in einem zeitgemäßen Sound, aber ohne modische Attitüde
ihre Stimme erhebt und Geschichten erzählt, ohne wie eine Lachnummer
zu klingen. LIFE IN THE FOODCHAIN war ein bißchen die Platte, die
man sich bis dahin immer von Bruce Springsteen gewünscht hätte,
oder von Dylan oder von den Stones, eine Platte, die zeigte, daß
Rockmusik nicht tot war.
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ONE BIG (HAPPY) FAMILY
THE FUNKY WESTERN CIVILISATION
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