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Zwei Jahrzehnte später ist LIFE IN
THE FOODCHAIN immer noch eine gute LP. Die langen, wortgewaltigen
Stücke sprechen eine musikalische wie inhaltliche Sprache, die noch
verstanden werden kann; die gelegentlich politisch unkorrekten und
oft genug frauenfeindlichen Texte verstören dagegen heute eher.
Man und Mann muß sie anders deuten: als Teil eines perfekten Rock`n`Roll-Monsters,
das ungelenk und mit ideologischen Gleichgewichtsstörungen herumtorkelt,
das keine Antworten hat, jede Menge Fragen und mehr Haltung als
Tiefgang. Das Monster ist groß, aber im Innersten ein unsicheres
Kind, ein instabiles Geschöpf des amerikanischen Jahrhunderts, das
für seine Angst und seine Aggression eine Form sucht.
Am naheliegendsten war und ist der
Vergleich mit Bruce Springsteen, der zeitgleich gerade zum Sprung
von "nächsten Dylan" zum Heroen der amerikanischen Nation ansetzte.
Wie stimmig dieser Vergleich war, zeigt eine Ballade aus der 1980er
LP AMERICA...
Wo aber Bruce Springsteen der all
american Simplicius Simplicissimus war, um bei Schelmenromanen zu
bleiben, blieb Steve Krikorian alias Tonio K ein zum Zynismus neigender
Intellektueller mit irgendwie ausländischen Wurzeln, der von Dadaismus
sprach, vom Cabaret Voltaire, von Hugo Ball und Kurt Schwitters
und sich dazu Garth Hudson von The Band, Dick Dale, Earl Slick und
Albert Lee ins Studio holte.
Wie alle Musiker der späten 70er Jahre,
die nicht in ein bestimmtes Format paßten, galt Tonio K irgendwie
als Punk oder New Wave, obwohl von beidem wenig zu hören war. Am
ehesten kann man Tonio K noch mit Power-Pop-Gruppen wie The Knack
oder The Cars in Verbindung bringen. Berüchtigt müssen Tonio Ks
Live-Shows im Whiskey-A-GoGo zu Los Angeles gewesen sein, wo Papiermasken
ausgegeben wurden, Ringkämpfe mit Stoffschlangen stattfanden und
zur Textzeile "the tables have turned" alle Tische umgedreht werden
mußten. Gerne wurden auch Gitarren demoliert: 200 abgebrochene Gitarrenhälse
soll Tonio K noch besitzen. Doch was passierte dann?
All das, was Tonio Ks Musik und Texte
so speziell gemacht hat, ist 1986 einer faden, billigen und süßlichen
Musikpampe gewichen, an der zwar so hochkarätige Freunde wie T-Bone
Burnette oder Charlie Sexton immer wieder mitwirkten, die aber trotzdem
nichts mehr gemein hat mit dem Tonio K der ersten zwei Platten.
Nun, Steve Krikorian hat zu seinem christlichen Glauben zurückgefunden,
die Verirrungen der Hippiezeiten und des Rock`n`Roll-Lifestyles
aufgegeben. Nach der 82er EP LA BOMBA versuchte er ein Label zu
finden für Aufnahmen mit dem ironischen Titel TOO COOL TO BE A CHRISTIAN,
aber erst 1986 kommen die eben gehörten Ungeheuerlichkeiten auf
einem Sub-Label von A&M heraus.
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HATRED
CINDERELLA'S BABY
MERZ SUITE
ROMEO UNCHAINED (Auszug)
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