|
Vor etwas mehr als zehn Jahren wurden sie als das heißeste Live-Ding
gehandelt, das der amerikanische Underground zum frisch erblühten
Punk beisteuern konnte. In diesem Satz stecken praktisch alle Mißverständnisse
zu den Tubes und wir fangen ganz von vorne an, in Phoenix, Arizona,
in einer Grundschulklasse Anfang der sechziger Jahre, in der ein
gewisser Michael Cotton und ein Indianerjunge mit Namen Prairie
Prince nebeneinander sitzen und beschließen, für immer Freunde zu
bleiben. "Wir sind praktisch Brüder", sagte 1986 Michael Cotton
über diese Freundschaft. Ende der sechziger Jahre, als Cotton und
Prairie Prince gerade nach San Francisco zur Art School wechseln
wollen, treffen die beiden mit Bill Spooner und Vince Welnick zusammen,
die als The Tubes schon in Phoenix und Umgebung auftreten und mit
nach San Francisco wollen, genau wie Fee Waybill, der nun Sänger
und Frontmann der Tubes wird, genau wie Roger Steen, genau wie Rick
Anderson. Das Rocktheater-Konzept der Tubes wird schnell wichtiger
als die Art School. Prairie Prince dazu: "Damals war die ganze Fingerfarben-Depressions-Therapiere-Dich-Selbst-Sache
in. Darum mochte niemand unsere harten, sehr realistischen Airbrush-Arbeiten."
Drei Jahre spielen die Tubes als Feierabend-Combo in der Bay-Area
und nebenbei gehen Prairie Prince oder Rick Anderson als Sessionmusiker
in die Studios, bis 1975 ein Plattenvertrag mit A&M unterschrieben
und die erste LP produziert wird.
WHAT DO YOU WANT FROM LIFE? von der
ersten Tubes-LP, produziert 1975 von Al Kooper, ein Werk, das man
getrost vergessen kann. Völlig unentschlossen hat Al Kooper die
Band auf Halb-Glitter-Rock-Halb-Mainstream getrimmt. Es klingt streckenweise
wie schlechter Zappa der frühen achtziger Jahre und wäre da nicht
der geniale Slogan von WHITE PUNKS ON DOPE...
Aber das Schlagwort war da und die
Tubes gaben sich live alle Mühe, dem Klischee vom dekadenten Vorstadtrotzlöffel
gerecht zu werden. Es machte wahrscheinlich großen Spaß, als Vorgruppe
des Mahavishnu Orchestra mit Obst und Bierdosen beworfen zu werden,
eine extra Organisation, das MOTHERS-AGAINST-THE-TUBES-MOVEMENT
gegen sich zu haben und dann und wann wegen Erregung öffentlichen
Ärgernisses verhaftet zu werden. Sam Shepard, selbst Musiker und
Chronist von Dylans Rolling Thunder Tournee 1976 beschreibt einen
Tubes-Auftritt, beziehungsweise seine Wahrnehmung eines Tubes-Auftritts:
"Es ist, als liefe man in ein Gruftfestival hinein. Überall laufen
Fernsehgeräte, lautstarkes, verzerrtes Feedback, das sich wie eine
Kuh anhört, die auf ihre Nachgeburt tritt und nicht weiß, was ihr
geschieht. Ein 2 Meter 40 großer Transvestit auf überhohen Plateausohlen,
in hautengem, silbernem Jumpsuit und mit blond toupiertem Haar -
wenn das Satire sein soll, dann kapier ich's nicht. Was gucken sich
die Kids diesen ganzen Scheiß an, wo sie doch auch gute Musik hören
könnten?"
|
WHAT DO YOU WANT FROM LIFE
Weiter
>>
|