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"What a difference a day makes, 24 little hours": Nun, ganz so
schnell rotiert das Trendkarussell noch nicht, daß gleich ein jeder
Tag Neues brächte, daß alle 24 Stunden die Helden von Gestern, der
Fliehkraft gehorchend, vom grellbunten Holzpferd gerissen werden
und davonwirbeln ins Pop-Nirvana, das mehr eine Asservatenkammer
zu sein scheint, aus der man nach Belieben des Publikums oder eines
Produzenten wieder hervorgezerrt werden kann. Heute Disco, morgen
Glam, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind. O wie gut, daß niemand
weiß, daß ich nichts von beidem weiß. Und nichts davon wissen muß,
nebenbei bemerkt: in Sachen Pop genügt es, von der Existenz eines
Dings zu wissen, um ein ausgewiesener Experte zu sein. Mehr schadet
manchmal bloß...
Jenseits dieses beliebten Spiels mit
den Moden und Zeiten und Haltungen hat sich in den letzten Monaten
etwas getan, besser: herauskristallisiert, das über die kurzlebigen
und vergnüglichen Aspekte der Popbranche hinausweist - das Wort
ist zurückgekehrt, der Song.
Nun wird es nicht jedem aufgefallen
sein, daß er weg war: Wachte man nicht jeden Morgen auf mit einer
Melodie im Kopf und den zugehörigen Worten, spie nicht das Radio
Celine um Alanis aus, deutschen Hip-Hop, deutschen Schlager, manchmal
sogar guten Pop? Doch plumper Positivismus hilft da nicht weiter:
Rover steckt in der Krise, auch wenn man hie und da welche auf der
Straße sieht.
Nein, die Popmusik hat sich jetzt
einige Jahre lang ihre postmoderne Pause genommen und das Schreiben,
das Spielen, das Singen von Songs ein paar Eigenbrötlern überlassen,
ein paar Schlagerfuzzis und ein paar Trantüten. Wer tatsächlich
am eigentlichen Turmbau beteiligt war, hielt die Klappe. Reden,
Singen, einen Inhalt transportieren war wie Kindersex im Internet:
alltäglich zwar, aber unsagbar widerlich, peinlich, proletenhaft.
Wie Schutzschilde vor zu viel Unmittelbarkeit wurden die Lautstärke
und die Sprachlosigkeit hochgefahren, um einer Desinvoltura zu frönen,
die jene angeblich so kalten 80er Jahre aussehen ließ wie eine Wärmestube
der Heilsarmee. Nein, es muß niemand wundern, wenn durch diese Praxis
der Popmusik ein Teil der nachwachsenden Generation verlorenging,
die sich woanders um Inhalte bemühte.
Selbstverständlich ist in all den
Jahren großartige Pop-Musik entstanden, die monochromen Sound-Stelen
der Techno-Musik, die abstrakten Beats im Hip-Hop, die Raserei von
Drum'n'Bass, aber die Avantgarden bedienten eine Weile zu stark
den vitalistischen Aspekt der Popmusik, das Aufflammen, Verbrennen
und Vergehen auf einer ewigen Party namens Leben. Diese Tänzer brauchten
ihr Gehirn lediglich noch als Organ, das auf Drogen reagieren kann.
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