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Und was während der letzten Jahre
etwas eklige Hitparaden-Usance einiger US-Rapper war, nämlich alte
Hits zu zeitgenössischen Beats durchs Dorf zu treiben und damit
ein Vermögen zu verdienen, erlebt auch hier in Deutschland eine
ungeahnte und eher im Underground angesiedelte Renaissance: Die
Musiker an ihren Computern verabschieden sich scheints mehr und
mehr von der akzeptiert postmodernen Praxis des Zitats und schreiten
gleichzeitig vor und zurück zur Coverversion, einer fast obsoleten
Form der Huldigung. Ob DJ Hell, Arj Snoek, Fuschimuschi oder Wunder:
Die elektronische Musik wendet sich wieder dem Song zu, vielleicht
nicht in einem klassischen, wenigstens aber in einem empathischen
Sinn, was zumindest in Großbritannien ulkige Früchte trägt: Triumphierten
vor Jahresfirst die Propellerheads mit ihrer Big-Beat-Wiederbelebung
von Shirley Bassey, versuchen es nun The All Seeing I mit dem Schlager-Untoten
Tony Christie.
In Deutschland erscheint demnächst
ein Album mit dem passenden Titel "Pop Artificielle" von lb, ein
pfundiges Alias, hinter dem sich ein gewisser Uwe Schmidt verbirgt.
Es ist ein reines Cover-Album mit "Angie", "Silence is Golden" oder
"Jealous Guy" - und es ist großartig. Wie vor zwanzig Jahren Flying
Lizards, Human League oder Hybrid Kids grandios Zuflucht nahmen
bei der Coverversion, um im Schutz des Ironieverdachts und der bekannten
Wörter und Melodien das Terrain zu sondieren für eine eigene Form
des Songwritings, so scheint mir die zeitgenössische elektronische
Musik derzeit an genau dieser Schwelle zu stehen. Die Formensprache
ist abgeklärt, das Handwerkszeug liegt parat, das Material - hier:
die Songform - wird getestet am Bekannten. Und bald wird einer den
ersten Schritt tun. Nach vorn, zum Song. Ins neue Jahrtausend.
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