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Geräusche aus den 80er Jahren Teil 1 : 2 : 3
 

Wir alle wissen, was ein Revival ist. Außer meinem Textverarbeitungsprogramm, das "Revival" rot unterkringelt, weil es nur das Update kennt, die zukünftige Verbesserung: Vorwärts und alles vergessen. Aber wir Wesen aus Fleisch und Blut und Tränen, wir kennen die zyklische Wiederkehr bestimmter Moden, Musiken oder Geisteshaltungen. Wir haben, mein Gott, vielleicht schon das zweite oder dritte Rock'n'Roll-Revival erlebt, erwarten in Kürze die Wiederkunft der 20er Jahre und eine kurze Renaissance des Existentialismus. Unser Vergessen ist immer nur temporär, einem gnädigen Verdrängen ähnlicher als einem Festplattenabsturz, und wenn's uns gar zu kalt ums Herz wird, dann reaktivieren wir unsere um einige unschöne Aspekte bereinigte Erinnerung an ein Jahrzehnt oder einen Stil, ziehen uns eine romantikrosenrote Kopie davon und spielen damit für einen kurzen Sommer.
     Wie in alle Kopien schleichen sich auch hier kleine Fehler ein, addieren sich zu Störgeräuschen und Anachronismen, werden lauter und gemeiner, und wenn dann die Blätter fallen, ist man allseits so peinlich berührt von dem Revival, dass schlagartig alles gemieden wird, womit man eben noch bewusst und geschmackssicher jongliert hat: Cola-Marke und Longdrink, Hosenschnitt und Lieblingskneipe, Romancier und Pop-Prinzessin. Während in den Feuilletons die ersten Analysen des Revivals abgedruckt werden und Prada-Schlappen endlich auch in Pfaffenhofen erhältlich sind, kehrt im Herzen des Trend-Connaisseurs wieder jene ruhige Kühle ein, aus der sich die nächste Sehnsucht nach einem behaglichen Gestern im ungewissen Morgen gebären wird: wenn der Schnee schmilzt.
     Nun steht das 80er-Jahre-Revival ins Haus, was mich spontan etwas ungnädig gestimmt hat, waren doch die 80er Jahre ein Jahrzehnt, das ich nie wirklich verlassen werde, weil es das Jahrzehnt meiner sogenannten Jugend war und etwa 1972 mit den ersten Roxy-Music-Platten begann und, wie es sich für ein solch großartiges, fast 18 Jahre dauerndes Jahrzehnt gehört, mit dem nun höchstens durch einen seinerzeit allseits befürchteten Atomkrieg zu überbietenden Knalleffekt, dem Fall der real-sozialistischen Regime in Osteuropa und der Öffnung der Berliner Mauer, endete. Und ebendort, in Berlin, stolperte ich im vergangenen November durch ein marktschreierisches Vorgeplänkel dieses 80er-Revivals und dachte mir, dass die Spree-Provinzler nicht mehr alle Eiswürfel im Drink haben: Jedes Plakat auf den zugemüllten Straßen unserer Hauptstadt lud entweder zur Eighties-Party oder zu einem Musical über Falco - war es denn wirklich so schön damals in Berlin, als alle Schlaffis aus Bielfeld dorthin gezogen sind, um unter Umgehung von Zivildienst und Bundeswehr auf jenen ausgelatschten Pfaden zu wandeln, auf denen einst Iggy Pop und David Bowie oder wenigstens Nina Hagen durch SO36 torkelten?
     Doch an ihren Taten soll man sie erkennen: Dieses Revival hat selbst Stil und sei hiermit umarmt, geherzt und geküsst. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet jetzt die bereits erwähnten Roxy Music wieder auf Tournee sind - einhellig begeistert aufgenommen -, denn ihre Musik gewordener Ennui kündete vor drei Dekaden bereits vom Ende des Rock'n'Roll-Gehabes, von neuen Zeiten und neuen Liedern. Und von dem Zeitpunkt an, als ein Song mir arg den Kopf verdrehte, dessen Refrain ich nie verstand und dessen Titel nie abgesagt wurde im Radio und folglich als "Dinnjubleem" in meiner Privathitparade geführt werden musste, bis Jahre später ein gnädiger Roxy-Platten-Besitzer mir den "Virginia Plane" ausbuchstabierte - von jenem Zeitpunkt an tickte die innere Uhr rückwärts vorwärts, noch soundsoviel Sekunden bis 1980. Das war die Schwelle in die Zukunft, viel mehr als dann 20 Jahre später der Chrono-Sprung ins Jahr 2000. Und wie mir schien es Hunderttausenden Jugendlichen auf diesem Planeten zu ergehen: Es war beschlossene Sache, dass man in den schließlich auch nach abendländischer Zeitrechnung anbrechenden 80er Jahren die Sache - Pop, Politik, Positionen - selbst in die Hand nehmen und zu einem anständigen Ergebnis führen würde. Die dafür benötigten Utensilien wurden schon im Vorfeld bereit gelegt: Noch nie zuvor und danach gründeten sich so viele Bands und Labels wie Ende der nominellen 70er Jahre; die Ungeduld war so groß, dass Platten "Geräusche für die Achtziger" oder "In die Zukunft" hießen und Bands eben Einstürzende Neubauten oder FKK Strandwixer: "Keine Atempause..."

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