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Geräusche aus den 80er Jahren (Fortsetzung) Teil 1 : 2 : 3
 

     Dann war es soweit, Silvesterglocken. Die 80er Jahre kamen und gingen; als Rentner werden wir Bücher darüber schreiben.
     Die beliebteste und einflussreichste Band der 80er Jahre war Velvet Underground, faktisch aufgelöst 1970. Als Velvet Underground 1993 wiedervereint - natürlich nur für einen Sommer - auf Tournee ging, war die Kritikerreaktion meist eine Mischung aus Häme und widerwilligem Respekt: Die jetzt also auch noch in Sachen Ausverkauf unterwegs...
     Was keiner der enttäuschten Liebhaber damals bedachte: Niemand, ein paar Szene-Hansel aus New York, Boston und Los Angeles nicht mitgezählt, hatte die Gruppe je live gesehen. Und wer sie gesehen hat, was hat er gehört? Verstärker zum Erbarmen mit Wattzahlen, wie sie heute in Kleinwagen eingebaut werden. Nein, die 93er Europatournee war die erste und einzige Gelegenheit, Songs, die die Welt verändert haben, annähernd authentisch auf der Bühne reproduziert zu hören, mit den damaligen Originalmitgliedern als Selbst-Darstellern: Das erklärt, warum die Shows damals zwar ein wenig museal, aber niemals nostalgisch wirkten.
     Den gleichen Kniff wendet gerade eine Menge Musiker an, die sich den 80er Jahren verpflichtet fühlt und deren Gesamtheit das gerade erblühende Revival ausmacht. Sie schnappen sich Songs aus der Zeit um 1980 und remixen sie, wie man die Umgestaltung von Originalversionen mit elektronischer Hilfe heute nennt: ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, denn so erhält die zeitgenössische Elektronikmusik eine dringend notwendige Portion Widerspenstigkeit und einen Satz heißer Parolen. Und die alten Stücke, o Wunder, wirken dank der modernen technischen Möglichkeiten plötzlich nicht mehr wie in den Hinterzimmern zusammengeschraubt, in denen sie tatsächlich zusammengeschraubt worden sind, sondern kühl, druckvoll, laut. Vor allem laut. Das hässliche Avantgarde-Seifenkistlein von einst wird dank veränderter Hörgewohnheiten und einer neuen Rhythmusspur zum gentechnisch mit einem Turbobrenner versehenen Hitparadenboliden. Umgekehrt wird allerdings auch ein blutiger Schuh daraus, ruckedigu: Was Reamonn und Xavier Naidoo aus Falcos "Jeanny" machen, wäre in jedem in Frage kommenden Jahrzehnt für ein paar Lacher gut. Aber bleiben wir bei der Positiv-Liste: Münchens DJ-Stern Hell füttert seine fünfte Label-Selbstdarstellung mit dem Titel "International DeeJay Gigolo Records Compilation" mit mehr 80er-Jahre-Savoir-Vivre aus, als das ganze Jahrzehnt ursprünglich zu bieten hatte, angefangen bei dem von DJ Hell wieder ins Rennen geschickten Tuxedo Moon bis hin zum Sex-Appeal einer Miss Kittin oder dem Flipperautomaten-Charme von Japanese Telecom. Da pumpt der Geist der Vergangenen Weihnacht... auch wenn eine Doppel-CD vielleicht etwas zuviel des Guten ist.
     Ein anderes Label aus München entführt uns in ein New York, dessen East Village damals noch die Lower East Side war und touristenfrei bis an den East River: "Anti NY" fasst ein halbes Dutzend obskurer No-Wave-Aufnahmen zusammen, denen auch ohne das obligatorische Name-Dropping von Jean-Michel Basquiat bis Jim Jarmusch unser Interesse sicher gewesen wäre. Hier versagen interessanterweise die drangehängten Remixe: Als hätte jemand die Luft rausgelassen...

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