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Nur Gott darf mich richten Teil 1 : 2 : 3
Der Tod des Rappers 2Pac als popgeschichtliche Maßeinheit  
 

Vermischtes, scheinbar Vermischtes: In Los Angeles wird der Rapper 2Pac Shakur erschossen. Joni Mitchell veröffentlicht eine Werkschau. In St. Petersburg, Florida, brennt das Getto. Curtis Mayfield meldet sich nach langen Jahren als falsettsingender Sozialarbeiter zurück. Bill Clinton führt seinen Wahlkampf von der rechten Überholspur aus. In England wird eine neue Generation mit Beatles- und Bowie-Plagiaten abgefüttert, und in Deutschland rast die Jugend zu den Beats von Ken Ishii, Aphex Twin oder Westbam: born to bang. Es ist Herbst im Lande Pop und höchste Zeit, Abschied zu nehmen.
     Abschied von 2Pac Shakur: Als er noch lebte, war er nur ein besonders erfolgreicher Trottel aus Los Angeles, einer jener Wortschmiede aus der Rap-Generation nach NWA, der ersten explizit gewalttätigen Rap-Crew aus Kaliforniens Gettos, die die Welt mit ihren Chauvinismen und lächerlichen Egotrips verpesten. Er war ein kommerzielles Phänomen, vom Eckensteher zum Millionär, vom Niemand zur Nummer 1 in den Hitparaden. Er war ein tätowierter Comic-Charakter, ein dumpfer Gangsta, ein Clown aus der Side-Show des Pop-Zirkus, in der die Verkrüppelten und Mißgebildeten ihre Chance bekommen.
     Suchte man frauenfeindliche Texte, Schießprügel-Romantik, Menschenverachtung, so war man bei seinesgleichen richtig: 2Pac Shakur, Snoop Doggy Dogg, der gesamte Reim-Stall des HipHop-Augias Dr. Dre als Archiv der US-amerikanischen Gettos und deren widerlichsten Seiten, einem groschenromanhaften Todesreich der wildgewordenen Zeichen, die sich wechselnde Träger suchen für ihre Orgien der semiotischen und physischen Gewalt. Die Marginalisierten erschufen sich ihre Nekropole in den Gettos, wo tagtäglich die Gewalt implodiert und sich die Opfer unter den eigenen Kindern sucht. Nach außen dringen die Schockwellen dieses fremdartigen Science-fiction-Krieges nur als gelegentliche Fernsehbilder - und als gereimte Botschaften der HipHop-Propheten.
     Das alltägliche Grauen gewinnt erst dann für uns an Kontur, wenn einer der exponierten Protagonisten im Kugelhagel zusammenbricht, wenn einer stirbt, der sich für kurze Zeit im Lande Pop einen Namen gemacht hat. Es lohnt sich, die nachtschwarze und gleichzeitig sonnendurchflutete Welt eines 2Pac Shakur nochmals zu begehen, bevor sich die unüberschaubare Produktionsflut über der Lücke schließt, die dieser Austauschbare hinterlassen hat.
     "All Eyez on Me" hieß passenderweise die Doppel-CD 2Pac Shakurs. Mehr als die Hälfte ist durchschnittlicher HipHop-Müll, ist Routine, mit der ein Genre, ein Label, ein Rapper sich und seine Welt zelebriert. Aber die physische Vernichtung dieses eitlen, selbstverliebten, anscheinend unbelehrbaren und verrohten Individuums 2Pac Shakur verändert zwangsläufig die Rezeption mancher Tracks. Zeilen wie "Soweit ich zurückdenken kann, verbluten meine Brüder auf der Straße", und, daraus gefolgert, "Von Geburt an sitze ich in der Falle" erhalten ein anderes Gewicht, verwandeln sich von apologetischer Selbstbeweihräucherung in die einzig zutreffende Beschreibung eines Lebensraumes, in dem tagtäglich und seit Jahren einer von 21 jungen Männern jedes Jahrgangs den Tod durch Erschießen findet, wo Mord noch vor Verkehr und Drogen die Liste der Todesursachen junger, schwarzer Amerikaner anführt.

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