Musikmeldungen aktuellMusikstromKolumnenSoundcheckPopalphabetGastbeiträgeWeblinksKontaktinfo
Home
Übersicht Manuskripte
Phil Ochs (Fortsetzung) Teil 1 : 2 : 3 : 4
 

     New York hieß 1962 Manhattan hieß Greenwich Village hieß Folk Clubs und ein nettes Mädchen, in unserem Fall Alice Skinner, 18 Jahre alt und im Besitz einer eigenen Wohnung, in die Phil Ochs sehr bald einzog. Wie besessen muß Phil Ochs in jenen Jahren Songs geschrieben haben, sogenannte topical songs: etwas in der Zeitung gelesen, Lied darüber gemacht, zur Redaktion des Broadside Magazins gelaufen und dort abdrucken lassen. 69 Stück wurden es im Lauf der Jahre, die in diesem Underground-Blättchen erschienen, darunter ein bereits 1961 entstandenes Anti-Vietnam-Stück mit dem Titel ONE MORE PARADE, der verbürgt erste Song zu diesem Thema. Um die Bedeutung der heute oft gering geschätzten topical songs zu verstehen, muß man sich bloß die Situation der damaligen Opposition in den USA vorstellen. Außerhalb des Zwei-Parteien-Systems existierten nur Splittergrüppchen; die Meinung des Weißen Hauses war zu veröffentlichende Meinung, kritischen oder investigativen Journalismus gab es nicht, Kritik an der Politik des Präsidenten galt als un-amerikanische, also fast kommunistisch, also krank. Die Übermittlung von skandalösen Nachrichten, von politischen Verbrechen, von Machtmißbrauch und Korruption wurden zwischen den Universitäten gern über Songs ausgetauscht; die herumreisenden Folkies hatten durchaus die Rolle der berittenen Boten: gute, patriotische Amerikaner zwar, aber kritisch und politisch weit links stehend.
     Mit Bob Dylan, mit Arlo Guthrie, mit Tom Paxton und Phil Ochs fing diese Musik schließlich an, sexy zu werden, mehr von der Gegenwart und einer möglichen besseren Zukunft zu sprechen und nicht mehr von 30 Jahre zurückliegenden Gewerkschaftskämpfen. Die Bürgerrechtsbewegung nahm in dem Maße zu, wie in den Südstaaten die Gewalt gegen die Bürgerrechtler zunahm, und es gab keinen Musiker, der mehr Demonstrationen und Veranstaltungen mit seinen Songs unterstützte als den jungen Phil Ochs...
     1965 begann sich Bob Dylan von der etablierten Folkmusik abzuwenden und statt der konkret politischen Themen rauschhafte innere Exkursionen zu unternehmen, schließlich begleitet von lauter Popmusik. Für die alte Garde wie Pete Seeger oder Alan Lomax war das Verrat, Ausverkauf, kommerzieller Schund. Phil Ochs widersprach: "Musik zu spielen, bloß weil sie dem Publikum gefällt, heißt das Publikum nicht zu respektieren. Wenn das Publikum das nicht versteht, dann verdient es allerdings auch keinen Respekt." Trotzdem kann man Phil Ochs' Verhältnis zu Dylan nur als gespannt bezeichnen: Eine Weile hatten sie den gleichen Manager, der sich aber mehr um Dylan als um Ochs kümmerte. Der kommerzielle Erfolg war fast ausschließlich Dylan und seiner Plattenfirma Columbia vorbehalten. Ochs begann zu sticheln: Bei Konzerten hörte man ihn ständig über Dylan lästern, witzeln, schließlich ließ er sich gar auf einem Friedhof photographieren, auf einem Grabstein sitzend, der den Schriftzug "Zimmerman" trägt. Als die Folk-Puristen Dylan verloren gaben, erinnerten sie sich wieder an Phil Ochs, kürten ihn zum neuen Dylan, zum nächsten Dylan, zum besseren Dylan - aber der Folkboom war vorüber und Protestsongs mußten wie Barry McGuire klingen, wenn sie in die Charts wollten. Trotzdem nahm Phil Ochs die Herausforderung an, er, der eigentlich nicht sonderlich singen und das Tempo während eines Songs nicht halten konnte, und versorgte die Demonstranten und Free-Speech-Verfechter und Yippies und Bürgerrechtler und Kriegsgegner mit immer neuen Liedern, mal selbstgerecht, mal lustig...

I AIN'T MARCHING ANYMORE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

DRAFT DODGER RAG

Weiter >>

 

Musikmeldungen aktuell | Musikstrom | Kolumnen | Soundcheck | Popalphabet | Gastbeiträge | Weblinks | Kontakt