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Phil Ochs vierte Platte sollte ein
Konzertmitschnitt werden, etwas besonderes. Von seinem Manager Grossman
und seiner unter dem Desinteresse an Folkmusik leidenden Label Elektra
weitgehend im Stich gelassen, beklebte er im Wortsinn eigenhändig
ganz Manhattan mit Postern, die einen Auftritt des nur Insidern
bekannten Phil Ochs in New Yorks größter Arena, der Carnegie Hall,
ankündigten: für den 7. Januar 1966. Dazu bezahlte Phil Ochs tägliche
Anzeigen in der New York Times aus eigener Tasche und tatsächlich:
Die relativ billigen Tickets waren am Tag des Konzerts ausverkauft,
für Phil Ochs der Beweis, daß man es auch auf ehrliche und anständige
Weise schaffen kann, ganz groß herauszukommen. Doch dem endgültigen
Durchbruch stand Phil Ochs selbst im Weg: Vor dem Auftritt erlitt
er eine derartige Lampenfieber-Attacke, daß er während des ganzen
Konzerts kaum singen konnte. Die Besprechungen des Gigs waren verheerend;
die Aufnahmen für die Live-LP mußten mit komplett neuen Gesangsspuren
versehen werden. Dazu hatte sich Phil Ochs auch noch für Material
entschlossen, das bisher unveröffentlicht war und so manche Spitze
gegen jene Menschen enthielt, die da unten im Publikum saßen: Amerikas
Gutmenschen. Hier eine eher an Tom Lehrer als an Bob Dylan erinnernde
Publikumsbeschimpfung mit dem Titel LOVE ME I'M A LIBERAL.
Nach dem Carnegie-Hall-Desaster verließ
Phil Ochs Frau und Kind und zog nach Los Angeles. Drei Jahre nach
Dylan vollzog Phil Ochs mit diesem Ortswechsel auch einen inhaltlichen
und musikalischen Wechsel. Phil Ochs' neue Labelheimat war seltsamerweise
A&M, das gerade mit Herb Alperts Fake-mexikanischer Bigbandmusik
ein Vermögen verdiente. Seine Texte wurden introspektiver, die Musik
orientierte sich plötzlich an den Klängen jener Schnittstellen,
wo Musical und Pop sich berührten - kein Wunder, daß Van Dyke Parks
zum gelegentlichen Mitarbeiter und Produzenten wurde, schon ein
Wunder, daß trotz der strategisch eigentlich genialen Entscheidung
eher ältliche, sentimentale, kitschige, sieche Musik herauskam,
die - obwohl es eingefleischte Ochs-Fans bis heute nicht wahrhaben
wollen - niemals ernsthaft in der Lage war, den von Dylan vorgegebenen
Standard auch nur annäherungsweise zu erreichen. Ähnliches galt
auch für Phil Ochs' spätere Bemühungen in Sachen Pop und Country,
von denen CHORDS OF FAME die mit weitem Abstand beste ist...
In vielen Interviews beklagte der
einsame Gitarrenheld Phil Ochs alias John Wayne den verderbten Zustand
der Gesellschaft, bejammerte er den langsamen Verfall aller Werte,
bedauerte er das Verschwinden eines Amerikas, wie es vielleicht
nur in der Film-Fiktion bestanden hatte, die seine Kindheit erträglich
machte. Amerika war krank - diese Aussage kann im nachhinein auch
gelesen werden als: Phil Ochs wurde krank. Die manisch-depressive
Veranlagung durch den Vater kam zum Durchbruch. Die Ermordung seiner
politschen Hoffnungsträger John F. und Robert Kennedy und Martin
Luther King, die zahllosen Massaker in den Südstaaten, die Niederschlagung
der Anti-Vietnam-Proteste, schließlich die absolut undemokratische
Vorgehensweise der Staatsmacht beim Demokratischen Parteikonvent
1968 in Chicago, als das Nixon-Amerika ein fast faschistoides Gesicht
offenbarte, später die Unterstützung des Pinochet-Putsches in Chile
durch die USA - das alles machte Phil Ochs krank und lebensmüde.
Dieses ethische Dahinsiechen seines geliebten Landes, das Absterben
seiner Ziele, die Aussichtslosigkeit, etwas zum Besseren wenden
zu können, verbitterten den Moralisten Phil Ochs so sehr, daß aus
den Protestsongs mehr und mehr filmhafte Alptraumszenarien wurden,
die man leicht für zynisch halten könnte, wäre da nicht die Biographie
ihres Schöpfers. Für mich ist das großartigste Stück Musik, das
Phil Ochs geschrieben und getextet hat, WHEN IN ROME. Er skizziert
hier in 13 Minuten eine leicht in die Zukunft versetzte Welt, in
der Gutes zu tun offenbar mit der Todesstrafe belegt ist. Die Musik
kommt süß und verführerisch daher, doch der Text läßt mich jedesmal
frösteln: Death Metal Folk, wenn es sowas geben kann, und es ist
kein Wunder, daß ein Don McLean mit seinem AMERICAN PIE den Hit
landen konnte -bittersüßes Epos, erträglicher Verlust - während
für Phil Ochs nur das blanke Entsetzen blieb.
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LOVE ME I'M A LIBERAL
CHORDS OF FAME
WHEN IN ROME
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