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Am Anfang war das Wort. Und das Wort war Blues. Niemand weiß zu
sagen, ab wann Blues war, aber es wird wohl so um die Jahrhundertwende
gewesen sein. Blues hatte viele Väter und Mütter, die "field holler"
der schwarzen Plantagenarbeiter, gerade erst von der Sklaverei befreit
und in die Lohnknechtschaft gezwungen, italienische Einwanderer
und deren Musik, die irischen und schottischen und englischen Balladen
und Volkslieder, mit denen schwarze Hausbedienstete ihre weiße Herrschaft
erfreuen mußten, die sexuell eindeutig zweideutigen Gesänge der
Minstrel Shows, also Persiflagen auf schwarze Musik, die wiederum
von schwarzen Musikern übernommen wurden, und ganz besonders die
Gesangsbücher der verschiedenen protestantischen Kirchen, deren
Hymnen die gerade eben als Menschenkinder eingestuften Neger einem
gnädigen und farbenblinden Gott zuführen sollten. Sobald die neue
Musik des schwarzen Südens sich zu formen begann, waren da auch
schon die Verwerter dieser neuen Töne, allen voran W.C. Handy. Seine
Arrangements, seine notierte Musik, seine Formeln wurden im Lauf
der Jahre ihres Erfolges wegen zum Standard des Blues, die 12 Takte,
zum Teil die Instrumentierung, die Legende vom Blues als trauriger
Musik, all das war Handy, all das vernichtete, diskriminierte die
urwüchsigeren Formen, drängte sie zurück in die ländlichen Gegenden,
während das Plagiat, die Nachdichtung immer mehr Gefallen auch beim
weißen Publikum fand, bevor sich Originale wie Blind Lemon Jefferson
oder Bessie Smith durchsetzen konnten.
Aber der Blues hatte auch einen ersten
legitimen Sohn, einen, der sich selbst und seine Musik erfand, den
ersten Underground-Star und Gitarrenhelden der Welt: Charlie Patton.
Wenn W.C. Handy Paul McCartney war, um eine Analogbildung mit den
sechziger Jahren vorzunehmen, dann war Charlie Patton Jimi Hendrix.
Patton entwickelte in der auch musikalischen Rückständigkeit des
Mississippi-Deltas einen völlig eigenen Stil, reizte die Möglichkeiten
seines Instruments aus, überbot seine musikalische Präsenz durch
Kunststücke wie Hinter-dem-Rücken-, Mit-den-Zähnen-, Über-dem-Kopf-
oder Zwischen-den-Beinen-Spielen, trieb seine Nachahmer zur Verzweiflung,
weil seine ebenso komplizierte wie eingängige Musik nicht zu kopieren
war und ist, und schließlich hatte er gegen Ende seines Lebens dank
zahlreicher Schellacks auch noch überregionalen Erfolg. Hier ein
Titel mit eindeutig weißen Wurzeln...
Vermutlich wurde Charlie Patton 1891
in der Nähe der Stadt Bolton geboren. Die Eltern waren Pächter auf
wechselnden Großplantagen, die je nach Lohn im Land herumzogen,
ein Jahr hier, ein Jahr dort ihre Parzellen bestellten, um das wenige,
das sie verdienten, in den Läden der jeweiligen Landsitze wieder
auszugeben: eine modifizierte, den Bedürfnissen des modernen Kapitalismus
besser angepaßte Form der Sklaverei. Einer der wenigen Auswege aus
einem Leben voller Plackerei war die Musik: Solisten oder String
Bands konnten in den weniger arbeitsintensiven Monaten auf Plantagenfesten,
bei Parties der weißen Herrschaft oder auf Tanzveranstaltungen in
den wenigen Dörfern und Städten durchaus ordentlich dazuverdienen
- so machte es beispielsweise die Chatmon Familie, aus der die Mississippi
Sheiks hervorgehen sollten und zu denen Charlie Patton in einem
freundschaftlichen, aber nicht, wie es manchmal heißt, verwandtschaftlichen
Verhältnis stand.
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