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In anderen Teilen der Welt war 1976/77
der Punk ausgebrochen und die panischen Plattenfirmen beschäftigten
spezielle Talentsucher, die Gruppen finden sollten, die anders war,
New Wave eben. Damals kaufte Island MX 80-Sound ein, die große Crocus
Behemoth-Bewunderer waren; Mercury/Chrysalis, ansonsten bestückt
mit Ten Years After, Genesis oder Gentle Giant, ließen sich von
einem Scout Pere Ubu aufschwatzen, gründeten das eigene Sub-Label
Blank und veröffentlichten im Februar 1978 die frühen Singles als
DATAPANIK IN THE YEAR ZERO-EP und das LP-Debüt THE MODERN DANCE;
dazu tourten Pere Ubu durch Europa. Ich habe die Band erstmals im
Radio gehört; Ingeborg Schober, Ehre, wem Ehre gebührt, hatte den
Nerv, von der Zukunft der Rockmusik zu sprechen. Ich war anderer
Meinung, und wieder einmal lag ich völlig falsch. Pere Ubu waren
tatsächlich die Zukunft der Popmusik, sowie deren gesammelte Vergangenheit.
Eine Band ohne Vorbilder, ohne nennenswerte Einflüsse, eine Band,
wie es sie seit Velvet Underground nicht mehr gegeben hatte.
DNA-Weggang Tim Wright wurde durch
Tony Maimone ersetzt; gelegentlich stieg Anton Fier für Scott Krauss
als Schlagzeuger ein. Aber immer fiepte und rauschte Ravensteins
Synthesizer, fiestelte der immer wunderbarere David Thomas, jetzt
mit langen Haaren und Schlabberhosen, knirschte Tom Herman auf der
Gitarre, half Tony Maimone am Baß, die Teen Angst der frühen Jahre
in eine ebenso futuristische wie poppige Ubu-Musik zu überhöhen,
die 1978 als DUB HOUSING erschien - die lustigste düstere Platte
aller Zeiten, ein Widerspruch, mit dem auch Pere Ubu spielen, wenn
sie die Platte im Discohome Studio zu Painesville, Ohio entstanden
sein lassen wollen.
1978 war ein hektisches Jahr für Pere Ubu. In Cleveland zelebrierten
sie sogenannte "unique events", bestehend aus Konzert, Residents-Filmen,
Performances und "unguarded parking". Mit zwei Alben auf dem Markt
waren sie eine gefragte Live-Band, die gleich drei Mal durch Europa
tourte, mit dabei als Vorgruppe Mayo Thompsons Red Crayola. Der
vielschichtige, antirockistische Sound prädestinierte Pere Ubu zu
Darlings der britischen und deutschen New Wave-Kundschaft, die mit
NEW PICNIC TIME aus dem Jahr 1979 einen dritten Hammer hingeknallt
bekam.
Die Einschätzung von NEW PICNIC TIME
ist umstritten. Die einen handeln sie als guten Ubu-Durchschnitt,
für mich ist sie das eigentliche Meisterwerk. Es ist eine jener
genialen Schnittstellen zwischen Vergangenheit und Zukunft, die
mit leichter Hand das Erreichte stabilisiert, mit zittriger Hand
aber in die unsichere Zukunft weist, Verfall, Krise, ungelöste Probleme
ahnen läßt. So schließt NEW PICNIC TIME mit dem Song JEHOVA'S KINGDOM
COMES!, David Thomas' einziger nennenswerten Stellungnahme zu seinem
Bemühen, ein guter Zeuge Jehovas zu sein oder zu werden. Was Thomas
in die Arme der unhippsten Religionsgemeinschaft zu beiden Seiten
des Atlantiks getrieben hat, weiß ich nicht. Jedenfalls nahmen die
Spannungen in der Gruppe dramatisch zu. Der ursprünglich geplante
Album-Titel GOODBYE schien Programm.
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LAUGHING
UBU DANCE PARTY
MAKING HAY
GOODBYE
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