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Es ist 1962 und Eric von Schmidt erhält Post von seinem besten
Freund Richard Farina, der gerade in Pamplona ist: "Hier ist
alles Wahnsinn, Musik und Wein. Wir campen irgendwo im Freien,
am Nachmittag gehen wir in die Stadt zum Stiertreiben – vor
zwei Tagen hätte mich fast einer aufgespießt, welch
ein Spaß – wir tanzen, trinken und vögeln die
ganze Nacht, reden Spanisch, pissen amerikanisch, schreiben Blues-Songs
und lassen die Weinschläuche kreisen, während wir auf
der Hut sind vor der Polizei." Farina unterschreibt seine
Briefe aus dem Bohème-Paradies mit "King Fucking Montezuma" und
im Dezember – nach einer erneuten Trennung von Kay, die wieder
schwanger ist – steigt Eric von Schmidt in ein Flugzeug nach
London, wo er Farina trifft und auch Bob Dylan – zu dritt
nehmen sie eine Platte auf, Dylan unter dem Pseudony Blind Boy
Grunt, dann folgt eine Platte für das Jazzlabel Prestige,
auf der von Schmidt begleitet wird von Geoff Muldaur und Fritz
Richmond; die Musik-Karriere gewinnt an Fahrt, auch wegen der Hitparaden-Platzierungen
von Baez oder Dylan, und Ende 1963 darf Eric von Schmidt eine der
ersten Folk-LPs einspielen, die nicht aus alten und traditionellen
Songs bestehen muss, sondern aus neuen und eigenen Stücken.
Sie heißt "Eric sings von Schmidt" und ist wie
viele Platten aus jener Zeit heute nur noch von historischem Interesse – alle
sind bemüht, ja nichts anders zu machen als die totgeglaubten
Vorbilder, bis hinein in die gleichen grammatischen und sprachlichen
Fehler oder Stereotypen, alles wirkt steif und bemüht: Der
Weiße Mann konnte damals den Blues tatsächlich nicht
singen.
Eric von Schmidt war nie ein reiner Musiker. Er
war und ist ein Künstler, der sich für alte Geschichten und ein neues
Leben interessiert. Als im Grunde wohlhabender Beatnik-Folkie reiste Eric von
Schmidt viel, zeichnete, illustrierte, schrieb – und seine besondere Spezialitäten
wurden große Wandgemälde mit Motiven aus der amerikanischen Geschichte.
Er übertrug also das väterliche Erbe in sein Leben. Und wenn es sich
so ergab, machte er mit Freunden auch eine Platte. So erschien 1969 "Who
Knocked the Brains Out of the Sky", die ich nicht kenne, und dann erst wieder
1972 die bereits erwähnte "Second Right Third Row", auf der wir
neben von Schmidt auch Garth Hudson, Geoff und Maria Muldaur, Paul Butterfield
und Jim Rooney treffen. Wir hören gleich die traditionelle englische Ballade "Fair
and Tender Ladies", eine Warnung an junge Mädchen, sich in unzuverlässige
Schönlinge zu verlieben: Neben der innigen Interpretation ist auch erstaunlich,
wie selbstsicher und selbstverständlich diese Wieder-Finder des Folk inzwischen
mit dem Material umgehen…
Eric von Schmidt selbst über diese Zeit: "Als die
magischen 60er Jahre vorbei waren, kamen die surrealen 70er. Die Leute aus New
York zogen entweder nach Hollywood oder nach Woodstock, wir aus Boston gingen
alle aufs Land und überließen die Stadt und die Nacht den Disco-Kids." Eric
von Schmidts ohnehin spärliche Platten-Karriere kam vollends zum Stillstand,
als sein damaliges Label Poppy pleite machte. Die Masterbänder für
die LP "Living on the Trail" mit Rick Danko und Garth Hudson, mit Paul
Butterfield und Bobby Charles, mit Geoff und Maria Muldaur natürlich, wurden
erst Anfang dieses Jahrtausends wiedergefunden und auf Tomato veröffentlicht…
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