|
The Mississippi Sheiks: Die Stones haben sich vor zwanzig Jahren
bereits bei ihnen bedient; Bob Dylan hat ihre Songs aufgenommen,
zwei auf der 93er LP WORLD GONE WRONG, deren Titel selbst bei den
Sheiks entlehnt ist, und einen auf der 92er GOOD AS I BEEN TO YOU.
Trotzdem sind die Mississippi Sheiks niemals so bekannt geworden
wie die Bluesmusiker Robert Johnson und Son House, denen Stones
oder andere weiße Stars die Referenz erwiesen. The Mississippi Sheiks
- oder von der Plantage zum Rock & Roll
Den Namen "Mississippi Sheiks" gaben
sich die Musiker, die dahinter steckten, erst in den zwanziger Jahren
dieses Jahrhunderts - in Anlehnung an den Sheik of Araby, gegeben
von Rudolfo Valentino, die Inkarnation des scharfen Stechers in
jenen Tagen, zumindest in den etwas ländlich-trüben Gegenden des
amerikanischen Südens. Aber die Geschichte der Sheiks beginnt fast
hundert Jahre früher auf der Baumwollplantage der Familie Madden,
irgendwo zwischen Jackson und Vicksburg im Sklavenstaat Mississippi.
Dort wurde Henderson geboren und, wie er seinen Söhnen später erzählte,
von den alten, nicht mehr zur Feldarbeit taugenden Sklavinnen aufgezogen
- ein Rest afrikanischer Kommunalität, der sich mit dem Pragmatismus
der Plantagenwirtschaft in Einklang bringen ließ. Henderson hieß
erst Madden, dann Chatmon, nach seinem neuen Besitzer. Der machte
aus dem Feldsklaven einen Haussklaven, einen Onkel Tom, einen "besseren
Nigger", der Geige lernen durfte, damit jemand bei den Tanzveranstaltungen
der Weißen aufspielen konnte.
Gleichzeitig kannte Henderson auch
die geheimen Gesänge der Feldsklaven, die diese am Abend anstimmten,
wenn der Sklavenhalter mitkriegen sollte, daß Unzufriedenheit herrschte
unter seinen Leibeigenen. An das Gebot der Geheimhaltung hielt sich
Henderson selbst lange nach dem Bürgerkrieg: seinen Söhnen wollte
er weder magische Texte noch Musik dieser Songs verraten. Nur die
Tanzmusik gab er weiter, Lieder von dem Mädchen "with the red dress
on", von CORINNA, CORRINA, der untreuen Schönheit, Lieder, die heute
zum Rock & Roll-Standard gehören, aber in ihrer Geschichte dreihundert
Jahre und länger zurückreichen, in Zeiten, wo auf karibischen Inseln
oder in Westafrika die Griots, die singenden Geschichtsschreiber
und Hilfsrichter, mittels strafender Lieder in den Dörfern Recht
sprachen: eine Art Haberfeldtreiben. Hendersons Söhne und Enkel
machten aus Corinna mal Maggie, mal Alberta - Abwechslung muß schließlich
sein.
|
Bob Dylan
SITTIN' ON TOP OF THE WORLD
Walter Vincson & Lonnie Chatmon
ALBERTA BLUES
Weiter
>>
|