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Bob Dylan schreibt sechzig Jahre
nach Erscheinen von BLOOD IN MY EYES FOR YOU: "Das Aufbegehren gegen
die Routine war das Hauptanliegen der Mississippi Sheiks. Alle ihre
Songs sind roh und gehen bis auf die Knochen. Sie sind wie geschaffen
für die moderne Zeit, diese Zeit der neuen Finsternis. Nein, an
den Sheiks war nichts verweichlicht oder verfeinert." Was meint
Krypto-Dylan? Vielleicht, daß diese Chatman Familie gleichzeitig
auf das traditionellste wie auf das hurenhafteste mit der Musik
umging, Popstars, lange bevor Pop zu sich selbst kommen konnte.
Ein Wetterleuchten. Eklektiker. Punks. Oder einfach Sheiks.
1930, der Rest Amerikas steckte in der Great Depression, ging die
Karriere der Mississippi Sheiks so richtig los. Bei einem bezeichnenderweise
weißen Squaredance nahm sie ein Produzent unter Vertrag. Walter
Vincson und Lonnie Chatmon nahmen als Mississippi Sheiks allein
in diesem Jahr an die dreißig Songs auf, mal unterstützt von Bo,
mal von Sam oder einem anderen Mitglied der Chatmon Familie - genaue
Unterscheidungen sind schwierig, denn die Sheiks versteckten sich
hinter einem Gruppensound, d.h. wenn Walter mal nicht singen konnte,
sprang Bo ein, der dann aber so zu singen versuchte wie eben Walter.
Das gleiche galt bei anderen personellen Wechseln. Fest steht, daß
die Sheiks in Mississippi und Texas die absoluten Stars waren: Son
House und Howlin' Wolf und Muddy Waters - die Zukunft des Blues
- machten Umwege auf ihren Reisen, nur um die Sheiks spielen zu
sehen - auf deren Ideen die später erfolgreichen Formen des Blues
aufbauten: auf einer von vorne herein viertelschwarzer, viertelweißer,
halb-sheikischer Melange amerikanischer Populärmusik, auf einer
keineswegs rein schwarzen oder rein weißen Traditionslinie also,
die von den Sheiks eben zu Son House, von Son House zu Robert Johnson,
von Robert Johnson zu den Rolling Stones und die Frage nach dem
Original ad absurdum führt...
Die Zeiten waren unsicher, Amerika
steckte mit dem Rest der Welt in wirtschaftlicher Depression, Deutschland
trieb dem Faschismus entgegen, Japan lebte seine imperialistischen
Phantasien aus und die junge Sowjetunion verblutete unter Stalin
- dies hatte seine Rückwirkungen auch auf die kleine Welt der Mississippi
Sheiks, die ihre Popularität nicht entscheidend in kommerziellen
Erfolg umsetzen konnten, da durch das knappe Geld zuallererst an
Dingen des alltäglichen Vergnügens gespart wurde, an Schallplatten
beispielsweise. Die Race Labels von Columbia und Paramount, für
die die Sheiks aufnahmen, wurden eingestellt; der landesweite Durchbruch
kam nicht zustande.
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