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Henderson Chatmons talentiertesten
Söhne hießen Bo, der als Bo Carter später berühmt werden sollte;
Lonnie, der Noten lesen konnte und für den Nachschub an neuen Songs
zuständig war; Sam, der Brummbaß und Gelegenheitsgitarrist, dann
Cousin Charly Patton, ein genialer Picker, der um 1910 seine Gitarre
hinter dem Rücken oder zwischen den Beinen spielte, und eine Generation
später Pete Chatmon, der es als Memphis Slim bis zum Nachtclubbesitzer
in Paris und Tel Aviv bringen sollte. Dann war da noch Walter Vincson
oder Vinston oder Jacobs - der hieß dauernd ander, und war der beste
Freund von Lonnie Chatmon, dessen virtuoses Gegeige Walter bewunderte.
Dabei war Walter ein guter Gitarrist, der sich aber fast dreißig
Jahre lang seinem Idol Lonnie unterordnete. Sam Chatman dazu: "Die
paßten schon zusammen. Einer war fauler wie der andere. Keiner wollte
was arbeiten von denen." Faul oder nicht, Lonnie brach als erster
Chatman mit der Familientradition des Feierabendmusikers, sagte
zu seinen Brüdern, er habe lange genug Maultierfurze geschnuppert,
und außerdem könne man Arbeit nicht essen. Zusammen mit Walter hing
Lonnie in den kleinen Städten rum, verspielte und verhurte sein
Geld, spielte zum Tanz und wenn man übte, dann nur auf der Straße,
mit einem Hut vor sich. Als in diesem Hut einmal 19 Dollar lagen,
nur beim Üben eingenommen, wußten Lonnie und Walter, daß sie einen
Hit hatten. Sie nahmen den Song später immer wieder auf Shellack
auf. Manche neue Strophe wurde zum neuen Song mit alter Melodie,
egal, heute noch kennt man das Lied auf der ganzen Welt.
SITTIN' ON TOP OF THE WORLD verschaffte
nicht nur Walter und Lonnie überregionale Berühmtheit, sondern dem
ganzen Chatman Clan, die als Chatmon Brothers String Band in den
wechselndsten Besetzungen die Gegend abklapperten, wobei Lonnie
nicht lang mit von der Partie war, weil er die Einkünfte der gesamten
Band als seine Privateinnahmen zum sofortigen Verbrauch in Bordellen
und Spielhallen ansah und von Sam und Bo gefeuert wurde. Er und
Walter zogen bald wieder zu zweit herum, nannten sich gegenseitig
"Bruno", was wohl besonders cool klang, und verstärkten sich nur
nach Bedarf, denn, wie schon gesagt, war auf dieser Welt Platz für
mehr als eine Band mit dem gleichen Namen, egal ob Chatmon Brothers
oder Mississippi Sheiks, wie sich Walter und Lonnie um 1928 anläßlich
ihrer ersten Plattensession tauften - ein Name, der sofort von den
anderen Chatmons dankend übernommen wurde, als die Schellacks dann
auf den Markt kamen, manche auch auf Weißen vorbehaltenen Labels,
da die Musik der Chatmons keine Farbe kannte, und sie Jimmy Rodgers,
Vaudeville und Blues mit der selben Gleichgültigkeit des Profis
beharkten. So floß wahrscheinlich zum ersten Mal in der Geschichte
Schwarz und Weiß zu Pop zusammen.
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Mississippi Sheiks
SITTIN' ON TOP OF THE WORLD
Mississippi Sheiks
JAILBIRD LOVE SONG
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