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Begleitet mich heute auf einem Trip in die Kälte, die Kälte kanadischer
Winter, die Kälte des Rock-Bussines, die Kälte kalifornischer Kokain-Herrlichkeit,
die Kälte des Älterwerdens und hört die seltsam kalte Stimme von
Joni Mitchell...
Roberta Joan Anderson kam am 7. November
1943 als Kind einer Dorfschullehrerin und eines Offiziers der kanadischen
Luftwaffe mit skandinavischen und schottischen Vorfahren zur Welt.
Geboren in dem kleinen Air-Force-Stützpunkt Fort McLeod, wuchs sie
in verschiedenen anderen militärischen Einrichtungen des kanadischen
Hinterlands auf, bis die Familie sich schließlich in Saskatoon niederließ,
mitten im Weizengürtel Kanadas. Die vielen Ortswechsel und eine
Serie von schweren Krankheiten - Scharlach, Masern, schließlich
Kinderlähmung (die gleiche Epidemie, der Neil Young zum Opfer fiel)
- machten aus dem aufgeweckten Kind eine Außenseiterin, die sich
lange Monate nur mit sich selbst beschäftigen konnte, Gedichte lesen,
malen, sich Geschichten ausdenken. Ihre Vorliebe für die Malerei
wollte die eher schwache Schülerin zum Beruf machen und besuchte
die Art School in Calgary mit dem Ziel, vielleicht Textildesignerin
oder ähnliches zu werden. Doch wie bei vielen Folkies veränderte
eine Ukelele ihr Leben: kaum waren ein paar Griffe gelernt, konnte
man Roberta Joan, eigentlich Rock'n'Roll-Fan und begeisterte Tänzerin,
in den Coffee Houses um den Campus hören, wie sie Pete-Seeger-Liedchen
nachsang. Im Sommer 1964 stieg Roberta Joan Anderson in einen Zug,
um zu einem Folk-Festival nach Toronto zu fahren. Sie sollte nicht
mehr zurückkommen.
Was das Mädchen aus Saskatoon von
anderen Joan-Baez- oder Judy-Collins-Klonen unterschied, war die
klare Stimme und die etwas seltsame Art, ihre Gitarre zu stimmen:
die Autodidaktin hatte quasi für sich selbst das Gitarrenspiel und
die für ihre Songs benötigte Stimmungen des Instruments neu erfunden,
eine Stärke und ein Handicap bis zum heutigen Tag, das entweder
zu langen Überleitungen zwischen den Songs führt oder zu einer Armee
von Gitarren, Gitarrenstimmern und Roadies. Miss Anderson avancierte
zum Geheimtip der Szene in Toronto, allerdings zu einem Zeitpunkt,
als die studentische Begeisterung für Folk mit Hilfe der Beatles
und Bob Dylan bereits überführt wurde in eine Intellektualisierung
der Popmusik unter Zurücklassung des studentischen Klampfentums:
eine zögerlich aufgehendes Sternchen an einem Himmel, der schon
bald ohne seine Stars auskommen mußte.
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RIVER
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