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Insgesamt war HISSING OF SUMMER LAWNS
eine Art Johannes der Täufer-Platte für ihre zweites Meisterwerk
HEJIRA. 1976 nahm Joni Mitchell als weitgehend passives Mitglied
an Bob Dylans Rolling Thunder Revue teil, die sie gegen Ende ziemlich
geschockt verließ, abgestoßen durch all die Ego-Trips und nervenzerfetzenden
Auswüchse dieses einzig wahren Rock'n'Roll-Zirkus. Sie durchquerte
allein den amerikanischen Kontinent und dabei entstanden die meisten
Lieder für Hejira, etwa das suiten-ähnliche SONG FOR SHARON oder
das durch Neil Youngs gespenstische Mundharmonika getriebene FURY
SINGS THE BLUES. Musikalisch wichtigster Einschnitt dieser Zeit:
Jaco Pastorius drückte seine mächtigen Baß-Noten jetzt in die fragilen
Joni-Mitchell-Songs und bald würde ihm Wayne Shorter aus der Weather
Report-Familie nachfolgen an den Hof der blassen Königin, die mit
HEJIRA die perfekteste Platte ihrer Karriere aufgenommen hat.
Dem Geniestreich folgte dann eine
tatschlich geschwätzige Joni-Mitchell-Platte, DON JUAN'S RECKLESS
DAUGHTER, Doppel-Album natürlich, Songs, die nicht enden wollen,
manieriert, aber letztlich auch nur wieder eine Art Vorbereitung
auf MINGUS, die 1979 erschien. Der totkranke Charles Mingus hatte
sich an Joni Mitchell gewandt, ob sie nicht einige seiner letzten
Kompositionen mit Texten versehen und einspielen wollte. Die wagte
sich erstmals in größerem Stil an Fremdmaterial und erstellte unter
wahnsinnigem Zeitdruck, aber trotzdem zu langsam für Mingus' Krankheit,
eine wunderbar unfertige, aber genialische Platte, die als eine
der ganz wenigen Jazz und Pop zu versöhnen weiß. Und der kommerzielle
Aspekt kam selbst mit dieser sehr speziellen Platte nicht zu kurz:
Auch MINGUS stand monatelang in den US-Charts.
MINGUS folgte eine der üblichen überflüssigen
Live-Doppel-LPs, dann verabschiedete sich Joni Mitchell von ihrem
Jazz-Engagement: es hätte ihr zu viele Hörer und Käufer gekostet.
Gleichzeitig verabschiedete sich von ihrem Jazz-Lover Don Alias,
um bald den Baßisten Larry Klein zu ehelichen, mit dem sie dann
erstaunlich lange zusammenblieb. 1982 unterschrieb Joni Mitchell
einen Vertrag bei David Geffens neuem Geffen-Label, dessen Buchhalter
sie dereinst wie Neil Young wegen mangelnder Kommerzialität verklagen
würden - soviel zu alten Rock'n'Roll-Freundschaften. Sie debütierte
bei Geffen mit der Mainstream-Rock-LP WILD THINGS RUN FAST, und
Mainstream-Rock'n'Roll ist es mal schlimmer, mal weniger schlimm
bis heute geblieben, was Joni Mitchell abzuliefern willens und in
der Lage ist - da halfen kein Thomas Dolby und auch keine wohlwollend
besprochenen Gemälde-Ausstellungen. Nur Joni Mitchells negativen
und gesellschaftskritischen Texte deuten auf eine innere Unzufriedenheit,
die sich nicht gegen die eigenen Produkte wenden darf. Hinzu kamen
gesundheitliche Probleme als Spätfolgen ihrer Polio-Erkrankung als
Kind. Wenigstens scheint die dröge und unerfreuliche Zeit bei Geffen
Records vorüber: Mit der 94er LP TURBULENT INDIGO, der 1996 erschienenen
ersten Best-of-Zusammenstellung ihrer Karriere und einer im Herbst
1997 erscheinenden, neuen LP meldet sich Joni Mitchell bei Reprise
zurück. Noch eine BLUE, noch eine HEJIRA ist also immer noch möglich,
wenn auch unwahrscheinlich.
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REFUGE OF THE ROADS
GOODBYE PORK PIE HAT
CHINESE CAFÉ/UNCHAINED MELODY
Diskographie
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