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Robert Johnsons Johannes der Täufer war Charlie Patton,
ein Hurensohn, der 1934 an den Folgen einer durchschnittenen Kehle
starb und der freundschaftlich verbunden war mit dem Chatmon-Clan,
einer Großfamilie aus Mississippi. Die Chatmons zogen nach eingebrachter
Ernte durch den Süden und Mittelwesten der USA und traten als Mississippi
Sheiks auf: 'Sitting on Top of the World' war ihr großer Hit,
aber sie spielten den Blues eher ungern, überließen die Juke Joints
und Barrelhouses lieber den umherziehenden Typen vom Schlage Pattons
oder Johnsons und den Ragtime-Piano-Spielern. Die Sheiks waren
nicht scharf auf das Stampfen schwarzer Füße auf nacktem Lehmboden,
auf gelupfte Baumwollkleidchen, auf den Alkoholdunst in den Kaschemmen,
auf deren gewalttätige Atmosphäre und auf Gigs, die die ganze Nacht
dauerten. Sam Chatmon berichtet später angeekelt, wie er als 16jähriger
einen Samenerguß hatte, als er in einem solchen Laden erstmals den
Shimmy-She-Wobble und den Two-Step tanzte. Die Sheiks bevorzugten,
speziell der besseren Bezahlung wegen, die Tanzmusik der weißen Herrschaften,
spielten galoppierende Square-Dance-Reimereien, Balladen, anzügliche
Witz-Liedchen, was eben gefragt und gut bezahlt wurde.
Die Depression der dreißiger Jahre setzte
der beginnenden Schallplatten-Karriere des Chatmon-Clans ein Ende;
die Plattenverkäufe sämtlicher Blues-Labels tendierten gegen Null.
Die Zusammenstellung 'Stop and Listen' faßt die leidenschaftslose,
tief skeptische Musik der Sheiks gut zusammen, reicht zurück
ins 19. Jahrhundert, auf die Plantagen, in die Behausungen der Sklaven,
in die Zeit vor dem Blues und ist ein gelungenes Beispiel für die
pragmatische Haltung, die die Musik des schwarzen Amerika allzeit
einzunehmen in der Lage war und ist, wenn es gilt, ein paar Dollar
mehr einzunehmen. Ein guter Freund, diese CD: vertreibt die Flausen
vom edlen Bluesmusiker ohne einen Ton schlechter Musik. |
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MISSISSIPPI SHEIKS
'Stop and Listen' (1992)
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