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"It doesn't take any talent to do that" Teil 1 : 2 : 3 : 4 : 5
Abteilung 15, in der ein paar Sonderlinge auf die Tanzfläche drängen.  
  Zehn Jahre reichen, um in der Popmusik vom Underground-Säugling zum boring old fart zu reifen: Inzwischen tanzt eine Generation, für die war Techno immer schon da. Und Rockmusik fand irgendwie im vorigen Jahrhundert statt, als Opa um die Oma freite und das Bier noch dunkel war. Nur die Allerneugierigsten scheinen einen kleinen Blick zurück riskieren zu wollen: Es werden dann ein, zwei Sekunden Jimi Hendrix gesampelt oder eine steinalte Textzeile von den Stooges zitiert. Bald herrscht wieder Schweigen. Dabei, natürlich, hat auch Techno seine Vor-Geschichte - und die geht über die gebetsmühlenhafte Verquickung von deutschen Kraftwerk-Einflüssen und amerikanischem Schwulendisco-Know-how weit hinaus und eint im Rückblick Sonderlinge aus fünf Kontinenten unter dem Banner Techno.
     Eine frühe Schnittstelle zwischen Industrial-Lärm und aufgeklärter Popmusik war die Musik der englischen Gruppe This Heat. Die lakonische Technizität ihrer ersten LP, die elektronische, rockistische und bei Dub-Reggae entlehnte Elemente kombinierte, übertrifft selbst die Pionierleistungen von Throbbing Gristle, weil die Musik von This Heat ohne außermusikalische Referenzpunkte wie Humor, Homosexualität oder Kunst-Szene auskam. Die Stücke hießen 'Testcard', 'Water' oder 'Rainforest' wirken wie der musikalische Zwillingsbruder von Coppolas Film 'Apocalypse Now': Was eben noch eine palmengesäumte Idylle war, brennt Sekunden später im Napalmfeuer. Wo gestern noch die Zivilisation schlimmstes verhüten konnte, richtet sie morgen bereits unverzeihbare Greuel an. Maschinen und Animismus. Die Ästhetisierung des Unmenschlichen. Charles Bullen, Charles Hayward und Gareth Williams schufen eine Klangwelt, die brachial war, funky, maschinell, dennoch menschengemacht; was heute vertraut klingt und weniger schockierend denn angenehm kathartisch, verunsicherte die Rock-Klientel bei Erscheinen gehörig: Auf das Debüt 'This Heat' mit seinen rollenden Drum-Pattern, den fiepsenden Maschinen und den elegischen Psalmen folgte eine Maxi, bei der erstmals nicht mehr klar war, ob sie auf 45 rpm oder auf 33 rpm abgespielt werden sollte - heute eine weit verbreitete Verunsicherungsstrategie von Techno- oder Elektronik-Labels. Dazu kamen Live-Auftritte, deren alles überrollende Echokanonaden und Schlagzeugattacken jede Punkband wie einen Haufen aufgeschreckter Hühnerdiebe erscheinen ließ. Das Oeuvre von This Heat rundete sich schließlich mit der zweiten und letzten CD 'Deceit', die in gesetzten, gregorianisch anmutenden Gesängen zum Thatcher'schen Leichenschmaus lud. Vorbei. Geschichte. Die Nicht-Stille nach zuviel Gerede.

Genrecheck:
Industrial Music

 

 

 

 

 

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THIS HEAT
'This Heat' (1978)

 

 

 

 

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