|
Der Erfolg kenne keine Hautfarbe mehr, schreibt der
Journalist Olaf Karnik in seinem Beitrag zu dem Black-Music-Reader
'Chasin' a Dream'. Und nach fast zwei Jahrzehnten, in denen Michael
Jackson die Hitparaden dieses Planeten regierte wie einst nur die
Beatles und der King, dessen Tochter er sogar ehelichte, zwei
Jahrzehnte, in denen deutsche Fürstinnen einem schwarzen Prince zu
Füßen lagen und Whitney Houston in der Rolle von Schneewittchen durchaus
denkbar gewesen wäre, möchte man Karnik fast recht geben. Hollywood
zum Beispiel: Kein programmierter Kassenschlager ohne einen weißen
und einen schwarzen Hauptdarsteller; kein noch so blöder Unterhaltungsstreifen,
der nicht einen Schwarzen als Polizeichef oder Richter durchs Bild
gehen läßt - als Geste der rassischen Correctness, als positives Rollenmodell
für heranwachsende US-Bürger schwarzer Hautfarbe. Und natürlich auch,
um die große und freizeitaktive Klientel der schwarzen Großstadtkids
in die Kinos zu locken, die sich selbst wiedererkennen will in dem
coolen Niggerniggernigger neben John Travolta.
Da muß man das Mikroskop schon etwas
schärfer stellen, um die rassischen und rassistischen Pigmente erkennen
zu können. Um mit Amiri Baraka, dem letzten Black-Power-Beatnik und
heutigen Kommunisten, zu sprechen: Amerikas Schwarze sind entweder
yellow, brown oder black. "Yellow" meint anbiedernd bis zur Selbstverleugnung,
rein den Werten der weißen Mittelschicht verpflichtet, sonntags in
der falschen Kirche, 'Cosby Family'. "Brown" meint angepaßt, aber
der Ungerechtigkeiten, der eigenen Geschichte und Herkunft, der per
Definition ungerechten gesellschaftlichen Position wohl bewußt und
im Zweifelsfall ebenso stolz darauf, ein Schwarzer zu sein wie ein
Amerikaner. Und "black" meint dissident, irrational, antibürgerlich,
separatistisch, meint die Nacht, die Illegalität, die Drogen, die
Musik. Meint Aggressivität, Widerstand und den Willen, sich keinen
noch so kleinen Scheiß mehr gefallen zu lassen.
Wenn also Michael Jackson "yellow" ist
wie ein deutsches Telefonhäuschen aus alten Tagen, war Prince
stets "brown". Er zog als Teenager aus, die Musik zu revolutionieren
und dem Mainstream seinen guten Namen zurückzugeben. Sein 'Sign
O the Times' repräsentiert die achtziger Jahre wie keine zweite
Platte, ihren Hedonismus, ihre sexuelle Paranoia, die Wiederkehr der
politischen Reaktion, komisch-künstliche Keyboardsounds, Simmons-drums,
abartig geformte Gitarren, Tod. Und zugleich konterkariert 'Sign...'
diese Zeit, läßt ihre Kälte und Egozentriertheit hinter sich und fragt,
was wäre 'If I Were Your Girlfriend' und warum Kinder sterben müssen,
weil ihnen auf dem Schulhof Drogen vertickt werden. Dazu baut Prince
eine Art Museum der schwarzamerikanischen Musik auf, in dem alles
gesammelt ist und ausgestellt wird, auf das ein schwarzer Amerikaner
stolz sein kann: der Klang der großen Tanzorchester, die Gitarre von
Jimi Hendrix, Funk und Blues, die Inbrunst schwarzer Gottesdienste,
Rap, Soul und a capella-Gesang, Steptanz und Fife&Drum-Bands, die
zu einem wilden Weekend in den Büschen Tennessees einladen. Mit angemessener
Gelassenheit wird auch Rock Springsteen'scher Provenienz eingemeindet
('I'll Never Take the Place of Your Man') oder weiße sophistication
mit white trash kombiniert('The Ballad of Dorothy Parker'). Geschlechterrollen
lösen sich auf wie Musikstile, übrig bleibt das Zwitterwesen Prince.
Dann verschwindet auch der, verschindet in den Gängen des Paisley
Parks, verschwendet seinen Namen, verschwendet seine Musik, verschwendet
schließlich unsere Zeit. Eine traurige Geschichte. |
Genrecheck:
Soul
Genrecheck:
Funk
91
PRINCE
'Sign O the Times' (1987)
Weiter
>>
|